Fragestellungen der Studie:

  • Leseförderung im Regelunterricht - welche Maßnahmen sind wirksam?

Rezension zur Studie

Koch, H. & Spörer, N. (2016). Förderung der Lesekompetenz mittels reziproken Lehrens: Implementation und Wirklichkeit im Regelunterricht. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 30(4), 213–225.FIS Bildung

Lesekompetenz gilt als äußerst bedeutsam für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern. Daher besteht großes Interesse an wirksamen Fördermaßnahmen, die Lehrkräften u. a. im Rahmen von Fortbildungen vermittelt und von ihnen im Unterricht umgesetzt werden können.

Koch und Spörer untersuchen die Wirksamkeit zweier unterschiedlicher Leseförderprogramme und testen dazu die Lesekompetenzen von 244 Fünftklässlerinnen und Fünftklässlern, die an einer von zwei jeweils 14-stündigen Unterrichtseinheiten oder am regulären Deutschunterricht teilnahmen. Eine Unterrichtseinheit basierte auf der Methode des reziproken Lehrens, wobei die Schülerinnen und Schüler zusätzlich angeleitet wurden, ihren Lernprozess selbst zu regulieren (RT+SRL). Die zweite Unterrichtseinheit war eine lesestrategiebasierte Good-Practice-Intervention (GP), die von Lehrkräften in einer Fortbildung entwickelt worden war.

Die von Lehrkräften konzipierte Good-Practice-Intervention weist im Vergleich zu regulärem Deutschunterricht keine nachweisbaren Vor- oder Nachteile bezüglich der Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler auf. Hingegen zeigt die RT+SRL-Intervention unmittelbar im Anschluss an die Unterrichtseinheit bezüglich der drei Kompetenzfacetten Leseverständnis, Lesestrategieanwendung und Selbstwirksamkeit eine signifikante Überlegenheit; acht Wochen später ist zumindest noch ein Vorteil bei der Lesestrategieanwendung nachweisbar.

Die Autorinnen schlussfolgern, dass das Trainieren von Lesestrategien ohne die gleichzeitige Anregung von selbstregulativen Zielsetzungs- und Reflexionsaktivitäten weniger wirksam ist. Einschränkend ist anzumerken, dass längerfristig auch die RT+SRL-Intervention nicht alle Kompetenzfacetten besser fördert als herkömmlicher Unterricht. Zudem bleibt unklar, ob die RT+SRL-Intervention auch bei anderen als der untersuchten Gruppe wirksam(er) ist, beispielsweise bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe oder mit nicht-deutscher Familiensprache.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen einer Lehrkraft:

  • Inwiefern kenne ich von meinen Schülerinnen und Schülern die Ausprägung in verschiedenen Facetten der Lesekompetenz (u. a. Leseverständnis, Lesestrategieanwendung, Leseinteresse, lesebezogene Selbstwirksamkeitserwartungen)? Welche Verfahren kenne ich zur Ermittlung der Lesekompetenzfacetten?
  • Welche Maßnahmen zur Förderung der Lesekompetenz kenne und nutze ich und über welche Erfahrungen verfügen meine Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich?
  • Inwieweit umfassen mir bekannte Maßnahmen zur Leseförderung neben der Anwendung von Lesestrategien auch selbstregulatorische Elemente?
  • In welchen Zusammenhängen und Gremien (z. B Fachkonferenzen) kann ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen über unser Verständnis von Lesekompetenz und geeignete Fördermaßnahmen und -programme austauschen?

Reflexionsfragen einer Schulleitung:

  • Welche Maßnahmen zur Leseförderung werden von den Lehrkräften meiner Schule umgesetzt?
  • Welche Erfahrungen berichten die Kolleginnen und Kollegen über die Wirksamkeit der von Ihnen eingesetzten Maßnahmen zur Leseförderung?
  • Welche Fortbildungen zu Leseförderprogrammen sind mir bekannt und auf welchen theoretischen Grundlagen basieren sie bzw. beinhalten sie selbstregulatorische Elemente?
  • Wie kann ich das Kollegium dabei unterstützen, sich über ihr Verständnis von Lesekompetenz und Leseförderprogramme auszutauschen und ggf. eine schulintern abgestimmte Vorgehensweise zu entwickeln?

Lesekompetenz trägt nach Koch und Spörer maßgeblich zum Schulerfolg bei und umfasst neben dem Leseverständnis (Wissen aus Texten wiedergeben) auch motivationale Komponenten (z. B. das Erleben von Selbstwirksamkeit) sowie das Kennen und Anwendenkönnen von Lesestrategien.

Zur Förderung von Lesekompetenz und ihrer Facetten wurden verschiedene Programme entwickelt. Besonders wirksam sind gemäß den Autorinnen Interventionen auf der Grundlage des reziproken Lehrens, bei dem klassischerweise Lesestrategien vermittelt und peergestützt geübt werden. Die Effektivität solcher Trainingsprogramme könne nach vorliegenden Befunden noch gesteigert werden, wenn sie mit Selbstregulationsprozeduren angereichert werden. Erklärt wird die höhere Effektivität durch die Annahme, dass ein domänenspezifisches Lerntraining sich auch positiv auf allgemeineres lernstrategisches Handeln auswirkt (Huckepack-Theorem).

Die Schwerpunkte der Förderung liegen bei einer Kombination von reziprokem Lehren und Selbstregulationsprozeduren nicht allein auf der Vermittlung von Lernstrategien und dem peergestützten Üben, sondern das Training enthält zusätzlich selbstregulative, insbesondere metakognitive Elemente wie die Planung des Lernstrategieeinsatzes, die peergestützte Überwachung des Strategieeinsatzes und die Reflexion der Zielerreichung, was zudem Lernmotivation steigern und das Erleben von Selbstwirksamkeit unterstützen soll.

Im Hinblick auf solchermaßen konzipierte Interventionsmaßnahmen ist allerdings bisher offen, ob sie auch effektiv sind, wenn sie von fortgebildeten Lehrkräften durchgeführt werden und ob sie zu einem besseren Lernerfolg bei den Schülerinnen und Schülern führen als alternative Fördermaßnahmen (ohne selbstregulative Elemente).

Vor diesem Hintergrund prüfen die Autorinnen zwei Annahmen:

  1. Schülerinnen und Schüler, welche eine Good-Practice-Unterrichtseinheit absolviert haben, die ihre Lehrkräfte im Rahmen einer Fortbildung entwickelten, erzielen kurzfristig bessere Ergebnisse im Leseverständnis, in der Lesestrategieanwendung und in der Selbstwirksamkeit als Schülerinnen und Schüler, die am regulären Unterricht teilnehmen.
  2. Schülerinnen und Schüler, welche eine RT+SLR-Unterrichtseinheit absolviert haben, die zum einen von Wissenschaftlerinnen auf Grundlage des reziproken Lehrens entwickelt und mit selbstregulativen Elementen angereichert wurde und die zum anderen ihren Lehrkräften im Rahmen einer Fortbildung vermittelt wurde, erzielen nicht nur kurz-, sondern längerfristig bessere Ergebnisse im Leseverständnis, in der Lesestrategieanwendung und in der Selbstwirksamkeit als Schülerinnen und Schüler, die am regulären Unterricht teilnehmen.

Die Stichprobe umfasste 14 Klassen der fünften Jahrgangsstufe aus acht sechsjährigen Primarschulen in Berlin und Brandenburg mit insgesamt 244 Schülerinnen und Schülern. Je fünf Klassen wurden nach dem Zufallsprinzip dem Treatment RT+SRL und der No-Treatment-Kontrollgruppe (KG0) zugeordnet, die Bedingung Good Practice (GP) galt für vier Klassen.

Die Untersuchung folgte einem Pre-Post-Follow-Up-Testdesign, d. h. Lesekompetenz wurde unmittelbar vor der Unterrichtseinheit, in der Woche danach (kurzfristige Effekte) und acht Wochen später (längerfristige Effekte) erhoben.

Als Facetten der Lesekompetenz wurden erhoben:

  • Leseverständnis: Sachtextaufgaben des Frankfurter Leseverständnistests für 5. und 6. Klassen (FLVT 5-6; Souvignier et al., 2008; Cronbach-αpre = .71, αpost = .78 und αfollow-up = .71).
  • Lesestrategieanwendung: selbst konstruierte Lesestrategie-Aufgaben für kontinuierliche Sachtexte, offene Antworten der Schülerinnen und Schüler (Interrater-Reliabilität: ICCpre = .99, ICCpost = .98, ICCfollow-up = .99).
  • Selbstwirksamkeit: Zehn domänenspezifische Items waren auf einer vierstufen Skala (0 = stimmt überhaupt nicht bis 3 = stimmt genau) einzuschätzen (z. B. „Wenn ich Informationen aus einem Text heraussuchen soll, gelingt mir das auch.“; Cronbach-αpre/post/follow-up > .81).

Als Kontrollvariablen wurden im Pretest erhoben:

  • Wortschatz: 30 Items des Wortschatz-Teiltests des ‚Grundintelligenztests Skala 2 – Revision‘ (CFT 20-R, Weiß, 2006; Cronbach-α = .83).
  • Leseflüssigkeit: ‚Salzburger Lese-Screening für die Klassenstufen 5-8‘ (SLS 5-8; Auer et al., 2008; Cronbach-α = .94).
  • Bildungsbiographischer Hintergrund: Anzahl der Bücher im Elternhaus, Geburtsland, Familiensprache und Deutschnote.

Die Gruppen ähnelten einander in der Klassengröße, der Geschlechterverteilung und dem Lebens- und Dienstalter der Lehrkräfte. Bezüglich soziodemographischer Daten verfügte die RT-SRL-Gruppe über günstigere Ausgangsbedingungen im Hinblick auf den Anteil der in Deutschland geborenen Schülerinnen und Schüler sowie im Hinblick auf die kulturellen Ressourcen als die GP-Gruppe, die wiederum gegenüber der Kontrollgruppe vorteilhaftere Werte aufwies.

Die Good-Practice-Gruppe hatte bessere Ausgangswerte beim Wortschatz, bei der Lesegeschwindigkeit und in den Kriteriumsmaßen der Lesekompetenz (Leseverständnis, Selbstwirksamkeit, Lesestrategieanwendung). Daher wurden das Geburtsland, die kulturellen Ressourcen, der Wortschatz und die Leseflüssigkeit als Kontrollvariablen berücksichtigt. Berechnet wurden Linear Mixed Models, wobei in den Regressionsanalysen die Post-Testwerte sowie die Follow-Up-Testwerte unter Einbezug der Kontrollvariablen durch die als Kontrastvariablen kodierten Untersuchungsbedingungen erklärt wurden. Zum Umgang mit fehlenden Werten kam das FIML-Verfahren zum Einsatz.

Die drei Interventionsbedingungen wurden folgendermaßen gestaltet:

  1. Die Kontrollgruppe (KG0) erhielt traditionellen Deutschunterricht, in dem den Aussagen der verantwortlichen Lehrkräfte zufolge auch mit Sachtexten gearbeitet worden sei.
  2. Die Good-Practice-Intervention (GP) wurde unter Anleitung einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin von den beteiligten Lehrkräften und unter Nutzung von Vorträgen, aktuellen Forschungsergebnissen, Lehrwerken und Trainingstexten für einen Umfang von 14 Einzelstunden à 45 Minuten konzipiert. Als Lernziele legten die Lehrkräfte das Kennen und Anwenden von Lesestrategien sowie die Entscheidungsfähigkeit über persönlich zielführende Strategien fest. In sechs Bausteinen bearbeiteten die Schülerinnen und Schüler das Markieren, Gliedern und Visualisieren von Texten sowie die Überprüfung des Informationszuwachses durch Quizfragen oder eine Lesekonferenz.
  3. Das Treatment RT+SRL umfasste eine zweitägige Einführung der Lehrkräfte in das Programm und nachfolgend die Umsetzung in 14 Einzelstunden à 45 Minuten. Bei der Umsetzung agierten die Lehrkräfte zunächst und im weiteren Verlauf abnehmend als Modelle für den individuellen Fortschritt der Lesekompetenz-Entwicklung. Die im Zuge der ergänzenden Selbstregulationskomponente angefertigten Lerntagebücher unterstützten die Schüler bei der Planung des eigenen Lernprozesses mit der Formulierung von Lernzielen, Überwachung und Evaluierung.

Parallel zur Intervention dokumentierten die Lehrkräfte das Maß ihrer Übereinstimmung mit dem Trainingselement, die so genannte Treatment-Integrität. Sie fiel in der Selbstwahrnehmung in beiden Gruppen mit etwa 90 % hoch, die durch Fremdbeobachtung ermittelte Übereinstimmung fiel in beiden Gruppen mit etwa 80 % geringer aus.

Die Good-Practice-Intervention zeigt im Vergleich zu herkömmlichem Unterricht für das Leseverständnis weder im Post- noch im Follow-Up-Test eine signifikante Überlegenheit, ebenso wenig für die Lesestrategieanwendung und die lesebezogene Selbstwirksamkeitserwartung. Das von den Lehrkräften konzipierte und durchgeführte Training wirkt somit signifikant weder nachteilig noch vorteilhaft auf die Lesekompetenz der Fünftklässlerinnen und -klässler.

Die RT+SRL-Intervention weist sowohl für das Leseverständnis als auch für die Selbstwirksamkeit im Post-Test, nicht aber im Follow-Up-Test eine Überlegenheit nach; in der Lesestrategieanwendung zeigt die RT+SRL-Intervention zu beiden Messzeitpunkten einen vorteilhaften Effekt. Das um Selbstregulationsprozeduren angereicherte reziproke Lehren durch Regellehrkräfte ermöglicht somit kurzfristig eine höhere Lesekompetenz und längerfristig zumindest eine bessere Lernstrategie-Anwendung.

Die Autorinnen interpretieren die Ergebnisse als Beleg für das eingangs skizzierte Huckepack-Theorem, nach dem ein domänenspezifisches Lerntraining sich auch positiv auf allgemeineres lernstrategisches Handeln auswirkt. Erklärungsansätze für den erwartungswidrig ausgebliebenen vorteiligen Effekt der Good-Practice-Intervention sehen sie im Fehlen von Zielsetzungs- und Reflexionsprozeduren sowie in der größeren Zahl vermittelter Strategien, die zusätzlich in Teilstrategien zergliedert und beispielsweise im Fall der Strategie ‚Zusammenfassen‘ in mehreren Varianten geübt wurden. Die damit verbundene Überspezifizierung einer einzelnen Lesestrategie und das Offerieren zu vieler Strategieanwendungsweisen könnten zu einem ‚cognitive overload‘ geführt haben.

Hintergrund: Angesichts der großen Bedeutung der Lesekompetenz für den Bildungserfolg junger Menschen genießt die Suche nach wirkungsvollen Fördermaßnahmen zu Recht große Aufmerksamkeit. Eine empirische Absicherung entsprechender Konzepte ist angemessen, damit die Ressourcen effektiv eingesetzt werden können.

Inwieweit entsprechende Fördermaßnahmen durch fortgebildete Lehrkräfte ebenso erfolgreich durchgeführt werden können wie von externen Trainerinnen und Trainern, berührt eine möglicherweise brisante, aber angesichts der empirischen Datenlage nicht unberechtigte Grundfrage der Lehrerfortbildung.

Design: Die Autorinnen reichern ein auf Prinzipien des reziproken Lehrens gründendes Leseförderprogramm um selbstregulatorische Elemente an, vermitteln dieses RT-SLR-Programm im Rahmen einer Fortbildung an Lehrkräfte und prüfen, wie sich die anfängliche Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler in der Woche nach dem Training und acht Wochen später verändert. Um auszuschließen, dass Zuwendungseffekte fälschlicherweise als Wirksamkeitsnachweis interpretiert werden, untersuchen sie zusätzlich eine Good-Practice-Intervention, die von Lehrkräften im Rahmen einer Fortbildung entwickelt wurde.

Den Effekt dieser Interventionen prüfen sie allerdings nicht im Kontrast zueinander oder zum konventionellen reziproken Lehren, sondern im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht, in dem u. a. mit Sachtexten gearbeitet wurde. Auf diese Weise können sie zwar eine – überwiegend kurzfristige – Wirksamkeit des angereicherten Leseförderprogramms belegen, ob der angenommene Huckepack-Effekt, nach dem ein domänenspezifisches Lerntraining sich auch positiv auf allgemeineres lernstrategisches Handeln auswirkt, tatsächlich eintritt, ließe sich dagegen nur in einem direkten Vergleich mit einem Leseförderprogramm auf Grundlage des reziproken Lehrens zuverlässig ermitteln.

Wenngleich die Autorinnen auf eine Randomisierung der Stichprobe verweisen, fallen beim Vergleich der bildungsbiographischen Daten und der Pre-Test-Variablen signifikante Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen auf. Zwar werden einige Ungleichheiten anhand von Kontrollvariablen rechnerisch ausgeglichen, es bleiben aber beispielsweise angesichts der unterschiedlichen durchschnittlichen Deutschnoten Fragen bezüglich der Vergleichbarkeit der Ausgangsbedingungen in den verschiedenen Gruppen.

Die Autorinnen untersuchten die Wirksamkeit von RT+SRL bei Fünftklässlerinnen und -klässlern einer sechsjährigen Grundschule, also ohne Leistungsdifferenzierung durch den Übergang in eine weiterführende Schulform. Hier schließt sich die Frage an, ob von dieser Intervention auch Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I profitieren würden. Daneben erscheint es angesichts des relevanten Anteils von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund interessant, inwiefern das Treatment insbesondere für diese Gruppe, deren Mutter- bzw. Familiensprache nicht Deutsch ist, vorteilhafte Effekte besitzt.

Ergebnisse: Die Studie belegt die kurzfristige Wirksamkeit und Überlegenheit von RT+SRL gegenüber einer Good-Practice-Intervention und herkömmlichem Unterricht; allerdings ist die Steigerung der Lesekompetenz erwartungswidrig lediglich bezüglich einer besseren Lesestrategieanwendung in der Follow-up-Untersuchung nach acht Wochen nachweisbar. Die Identifikation eines längerfristig erfolgreichen Instruments zur umfassenden Förderung der Lesekompetenz steht somit noch aus. Die Autorinnen empfehlen, in Lehrerfortbildungen die Bedeutsamkeit der exakten Umsetzung von Trainings (Treatmentintegrität) zu thematisieren und zu untersuchen, welche Implementationshindernisse auf Seiten der Lehrkräfte möglicherweise bestehen. Geprüft werden sollte zudem eine stärkere Knüpfung an unterrichtliche Fachinhalte sowie Booster-Sessions, um die Stabilität der kurzfristigen Wirksamkeitseffekte zu erhöhen.

Auf Grundlage ihrer Ergebnisse formulieren die Autorinnen Prinzipien für wirksame Leseförderprogramme:

  • wenige Strategien und deren Anwendungsweisen
  • viel Übungszeit für die Anwendung einzelner Lesestrategien
  • explizite Vermittlung von Zielsetzungs- und Reflexionsprozeduren, z. B. mit Lerntagebüchern oder Portfolios

Sie empfehlen außerdem, in einer entsprechenden Fortbildung besonderes Augenmerk auf Prozeduren selbstregulierten Lernens zu legen und Lehrkräfte zu unterstützen, diese für ihre Unterrichtsplanung explizit zu berücksichtigen.

Die fehlende Überlegenheit des von Lehrkräften konzipierten Good-Practice-Trainings unter Verwendung aktueller Forschungsergebnisse ist erstaunlich und veranlasst die Autorinnen zu der Schlussfolgerung, dass Lehrkräfte für evidenzbasierte Programme begeistert werden sollten und ihr Interesse geweckt werden sollte, diese in ihrem Unterricht umzusetzen. Der ernüchterte Blick auf die Effektivität von Lehrerfortbildung und das selbst konzipierte Training wirft die Frage nach der tatsächlichen gegenüber der zugeschriebenen Expertise von Lehrkräften auf. Dies berührt möglicherweise das historisch gewachsene und vielfach eingeübte Selbstverständnis von Lehrkräften als Einzelkämpfer und Experten, erweist sich aber im Sinne der Kompetenzsteigerung bei Schülerinnen und Schülern als dringend notwendig. Die Bereitschaft zur Anerkennung und Übernahme empirischer, evidenzbasierter Ergebnisse könnten die Treatment-Integrität nach einer Fortbildung und damit ihre Wirksamkeit steigern.

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Diese Rezension wurde erstellt von:
Antje Lehbrink, Dipl.-Päd., StD’in im Berufskolleg am Eichholz, Arnsberg. Arbeitsschwerpunkte: Fachschule Sozialwesen – Fachbereich Sozialpädagogik, Gesundheitsmanagement, Zentrale Abiturprüfung an den Beruflichen Gymnasien.

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