Fragestellungen der Studie:
Rezension zur Studie
Eickelmann, B., Gerick, J. & Vennemann, M. (2019). Unerwartet erfolgreiche Schulen im digitalen Zeitalter – Eine Analyse von Schulmerkmalen resilienter Schultypen auf Grundlage der IEA-Studie ICILS 2013. Journal for Educational Research Online, 11(1), 118–144.FIS BildungDas Autorenteam untersucht organisational resiliente Schulen, bei denen – gegen alle Erwartungen – digitale Kompetenzen trotz sozioökonomisch herausfordernder Lage in überdurchschnittlichem Maße vermittelt werden konnten. Den Autorinnen und dem Autor gelingt der Nachweis der Existenz solch resilienter Schulen; in Deutschland sind dies etwa 12% der 136 untersuchten Schulen. In einem zweiten Schritt werden die resilienten Schulen in vier (in Deutschland: drei) auf der Grundlage von schulischen Voraussetzungen und schulischen Prozessmerkmalen empirisch ermittelte Typen klassifiziert: "Kompetente Schulen", die eine hohe Nutzungshäufigkeit digitaler Medien im Unterricht haben; "Zurückhaltende Schulen", welche eine geringe Nutzungshäufigkeit haben und "Pragmatische Schulen", wo eine durchschnittliche Nutzungshäufigkeit vorliegt. Der vierte Typ "Vorreiterschule" existiert den Befunden zufolge in Deutschland nicht. Schließlich wird überprüft, welche Rolle unterschiedlichen Dimensionen des Schulleitungshandelns in den herausgearbeiteten Typen von Schulen zukommt. So zeigt sich etwa, dass Schulen des Typs "Kompetente Schule" vor allem Schulleitungen haben, die eine hohe Priorität auf die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Vision legen, Unterrichtsbesuche durchführen und ein systematisches Konzept zur Nutzung von digitalen Medien im Unterricht implementieren.
Angesichts der voranschreitenden Digitalisierung und der damit zunehmenden Bedeutung IT-bezogener Kompetenzen ist es sinnvoll, organisational resiliente Schulen in den Fokus der Forschung zu nehmen und deren Eigenschaften herauszuarbeiten. Allerdings müsste dies kontrastierend zu einer Bearbeitung nicht-resilienter Schulen erfolgen, um zeigen zu können, was resiliente Schulen auszeichnet, und um so für die zukünftige Schulentwicklung Anregungen gewinnen zu können. Dies erfolgt aber in dieser Untersuchung nicht. Auch bestehen bei der Untersuchung des Schulleitungshandelns inhaltliche und methodische Unklarheiten, was die Aussagekraft einschränkt. Da nur 16 der in Deutschland untersuchten Schulen als resilient gelten, stellt sich die Frage nach der Repräsentativität und einer vorsichtigen Interpretation der Befunde. Generell ist bei Studien, welche die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen erfassen, im Auge zu behalten, dass einerseits ein Teil dieser Kompetenzen auch außerhalb der Schule erworben werden kann, was den Wert einer rein schulbezogenen Studie einschränkt, dass aber andererseits in der Schule auch ein Teil der informationsbezogenen Kompetenzen bereits am Beispiel analoger Quellen erarbeitet wird. Diese Punkte spielen aber für das Design der vorliegenden Studie keine erkennbare Rolle. Allen durchaus positiven Aspekten der Studie stehen damit auch spürbare Mängel gegenüber.
Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.
Reflexionsfragen für Schulleitungen:
Zu den großen Herausforderungen, vor welche der digitale Wandel die Schulen stellt, zählt die Notwendigkeit, die Schülerinnen oder Schüler beim Aufbau computer- und informationsbezogener Kompetenzen („computer and information literacy“ = CIL) zu fördern.
Das Autorenteam führt aus, dass die „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS) von 2013 für Deutschland im internationalen Vergleich ergab, dass Achtklässlerinnen bzw. Achtklässler lediglich über ein mittleres CIL-Niveau verfügen; rund 1/3 der Jugendlichen erreichen maximal die zweite von fünf Kompetenzstufen. Zugleich offenbart die Studie soziale Disparitäten: Lernende aus weniger privilegierten Familien bleiben in der Kompetenzentwicklung deutlich hinter Schülerinnen und Schülern aus sozial privilegierteren Verhältnissen zurück.
Sieht man allerdings von diesen auf der Basis von Mittelwerten festgestellten Befunden ab und betrachtet man die Ergebnisse von Einzelschulen, dann zeigt sich, dass es auch Schulen gibt, die trotz eines hohen Anteils von Schülern mit sozioökonomisch herausforderndem Hintergrund überdurchschnittliche Ergebnisse in der Kompetenzmessung zu anderen Fachdomänen erzielen.
In Bezug auf diese erwartungswidrig erfolgreichen Schulen in sozioökonomisch herausfordernden Kontexten wird in der Bildungsforschung der Ausdruck der „organisationalen Resilienz“ verwendet, da für derartige Schulen spezielle organisatorische Merkmalskombinationen und ein besonderes Schulleitungshandeln angenommen werden. Allerdings besteht dem Autorenteam zufolge derzeit diesbezüglich für den CIL-Bereich noch weitgehend ein Forschungsdesiderat, v.a. in Bezug auf eine Typologisierung von Schulen sind die Kenntnisse noch gering. An diesem Punkt setzt die vorliegende Untersuchung an. Es wird untersucht,
1. ob organisationale Resilienz von Schulen auch in Bezug auf den CIL-Bereich nachweisbar ist (d.h. ob Schulen zu identifizieren sind, welche trotz herausfordernder sozioökonomischer Situation vieler Schülerinnen oder Schüler bei der Vermittlung computer- / informationsbezogener Kompetenzen überdurchschnittlich erfolgreich sind) und
2. ob sich diesbezüglich identifizierte Schulen anhand ihrer sonstigen Merkmale typologisch gliedern lassen,
3. ob sich an diesen Schulen auch das Schulleitungshandeln in Bezug auf die Integration von digitalen Medien in Schule und Unterricht systematisch unterscheidet.
Anschließend erläutern die Autorinnen bzw. der Autor in Grundzügen den theoretischen Hintergrund ihrer Untersuchung, der auf die Rahmung der ICIL 2013-Studie zurückgeht. Dabei greifen sie auf ein Modell zurück, das zwischen Voraussetzungen sowie Prozessen, welche sich auf den Kompetenzerwerb auswirken, unterscheidet. Diese lassen sich wiederum hinsichtlich folgender vier Ebenen differenzieren: 1. gesellschaftlicher Kontext (z.B. technologiebezogene Strategien und Curricula), 2. Schul- und Klassenebene (z.B. Ausstattung mit digitalen Medien oder das Handeln der Schulleitung), 3. das häusliche Umfeld (z.B. der sozioökonomische Hintergrund der Schülerinnen und Schüler oder die Nutzung von digitalen Medien) und 4. die Ebene der Schülerinnen und Schüler (z.B. Alter oder computerbezogene Selbstwirksamkeitserwartung). Darüber hinaus merkt das Autorenteam an, dass sich Faktoren wie Lehrerkooperation sowie das Schulleitungshandeln als bedeutsam erwiesen haben. Für ihre Untersuchung nehmen die Autorinnen und der Autor vor allem die Schulebene in den Fokus; durch Einbeziehung des sozialen Hintergrunds der Schülerinnen und Schüler wird ihrer Ansicht nach der häusliche Kontext berücksichtigt. Außerdem, so die Autorinnen und der Autor, werde mit dem intendierten internationalen Vergleich auch auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen abgehoben.
Hinsichtlich dieser theoretischen Rahmung führen Eickelmann et al. in der Folge auch den Forschungsstand hinsichtlich vorliegender Erkenntnisse zu der Rolle der genannten Faktoren auf den Erwerb von computer- und informationsbezogenen Kompetenzen aus. Hieraus resultiert aus Sicht des Autorenteams das bereits oben benannte Forschungsdesiderat bezüglich der Betrachtung vorn organisational resilienten Schulen, an welchem ihre Untersuchung ansetzt.
Eickelmann et al. legen ihre Untersuchung als Sekundäranalyse der repräsentativen Daten der ICILS 2013-Studie an. In dieser Studie wurden nicht nur international vergleichend die computer- / informationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern achter Jahrgangsstufen ermittelt, sondern es wurden auch mithilfe umfangreicher Fragebögen Daten zu den Rahmenbedingungen des Kompetenzerwerbs erhoben.
Dabei betrachten Eickelmann et al. neben den deutschen Daten der ICILS 2013-Studie auch die Daten für diejenigen Länder, in denen signifikant bessere Ergebnisse im CIL-Bereich als in Deutschland erzielt wurden: Daraus könne sich als ein Ergebnis der Untersuchung die Möglichkeit für Deutschland ergeben, von erfolgreicheren Ländern zu lernen.
Somit lagen Daten zu 24.355 Schülerinnen oder Schülern und 13.753 Lehrkräften von 1.357 Schulen aus Australien, Dänemark, Deutschland, Kanada (Ontario), Norwegen, Polen, Südkorea und Tschechien vor. Die Zahlen für Deutschland lauten: 2.225 Schülerinnen / Schüler, 1.386 Lehrpersonen, 136 Schulen.
Für die erste Forschungsfrage – die Ermittlung organisational resilienter Schulen – wurden jeweils die Testdaten zum mittleren Niveau der Schulen hinsichtlich der computer- / informationsbezogenen Kompetenzen und zum sozioökonomischen Hintergrund der Schülerinnen oder Schüler herangezogen, der mittels HISEI (vgl. Ganzeboom et al. 1992) über den eingesetzten Schülerfragebogen erfasst wurde. Als organisational resilient wurden Schulen angesehen, die im Hinblick auf die sozioökonomische Situation im unteren, im Hinblick auf die CIL aber im oberen Drittel des jeweiligen Landes lagen.
Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage – der Erstellung einer Typologie organisational resilienter Schulen – unterziehen die Autorinnen und der Autor die Daten aus dem eingesetzten Lehrkräftebogen latenten Profilanalysen, um ähnliche Schulen zu Gruppen mittels Mplus zusammenzufassen. Dabei beziehen sich die Lehrerangaben auf die bereits oben genannten sechs Schul- und Prozessmerkmale (von „Verfügbarkeit schulischer IT-Ressourcen“ bis „Ausmaß der Lehrerkooperation“). Mittels informationstheoretischer Maße wurden im Modellvergleich vier Gruppen gebildet.
Für die Beantwortung der dritten Forschungsfrage – dem Einfluss des Schulleitungshandelns – beziehen sich Eickelmann et al. auf die Daten, welche mittels Schulleitungsfragebögen erfasst wurden, und greifen unter Berücksichtigung des jeweiligen Anteils unterschiedlicher Schultypen auf deskriptive Statistiken zurück. Dabei werden die Angaben zum Schulleitungshandeln so gewichtet, dass die Zahlen der von dem jeweiligen Schulleitungshandeln betroffenen Schülerinnen und Schüler in die Berechnung eingehen. Warum diese Gewichtung gewählt wurde, wird nicht begründet. Mittels t-Test wurden Unterschiede zwischen den Schultypen ermittelt.
In den Schulleitungsfragebögen wurden folgende Aspekte erfragt:
1. Wo setzt die Schulleitung Prioritäten: Schaffung von Anreizen für den IT-Einsatz im Unterricht? Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Vision im Kollegium? Förderung des Computereinsatzes im Fachunterricht? Entwicklung eines Schulkonzepts zur systematischen Planung des Einsatzes von Computern in der Lehre?
2. Welche Maßnahmen der Schulleitung erfolgten in den letzten 3 Jahren: Bereitstellung von Entlastungsstunden für die Planung von Unterrichtsinnovationen mit digitalen Medien? Bildung von Lehrerteams zur Koordination pädagogischer Innovationen? Durchführung von Unterrichtsbesuchen?
3. Wird der Aufbau von CIL im Schulprogramm thematisiert?
Zur Frage nach der Identifikation organisational resilienter Schulen: 7,7% (d.h. 105) der im internationalen Rahmen untersuchten Schulen erweisen sich als organisational resilient. Im Ländervergleich zeigen sich große Unterschiede: So wird in Tschechien lediglich ein Wert von 1,2% erreicht, in Polen aber von 19,9%. Der Anteil in Deutschland lag bei 11,8% - das ist der zweithöchste ermittelte Wert.
Zur Festlegung einer Typologie organisational resilienter Schulen: Die latenten Profilanalysen legen für die 105 resilienten Schulen vier Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Merkmalskombinationen nahe, wie nachfolgend dargestellt.
1. „Kompetente Schule“ (59,8% der resilienten Schulen, 21,4% der deutschen resilienten Schulen) mit der Merkmalskombination hohe Nutzungshäufigkeit digitaler Medien im Unterricht bei kaum eingeschränkten IT-Ressourcen, hohe (selbsteingeschätzte) IT-Kompetenz der Lehrkräfte, mittlere Häufigkeit der Kompetenzförderung.
2. „Zurückhaltende Schule“ (27,8% der resilienten Schulen, 71,4% der deutschen resilienten Schulen): sehr geringe Nutzungshäufigkeit digitaler Medien bei kaum eingeschränkten schulischen IT-Ressourcen, mittlere IT-Kompetenz der Lehrpersonen und geringe Einschätzung des Potenzials digitaler Medien durch die Lehrpersonen.
3. „Pragmatische Schule“ (11,4% der resilienten Schulen, 7,1% der deutschen resilienten Schulen): durchschnittliche Nutzungshäufigkeit digitaler Medien, Mangel an IT-Ressourcen, hohe IT-Kompetenz der Lehrkräfte, geringe Einschätzung des Potenzials digitaler Medien, geringe IT-bezogene Lehrerkooperation.
4. „Vorreiterschulen“ (1,0% der resilienten Schulen, 0,0% der deutschen resilienten Schulen): hohe Nutzungshäufigkeit digitaler Medien, keinerlei Mangel an IT-Ressourcen, Lehrkräfte schätzen eigene IT-Kompetenz, Bedeutung der Förderung von CIL und das Potenzial digitaler Medien als hoch ein. Die IT-bezogene Kooperation der Lehrpersonen ist hoch.
Zum Zusammenhang zwischen organisationaler Resilienz und Schulleitungshandeln: Bei dieser Analyse wurden die deutschen Schulen, welche auf die oben genannten Typen entfallen, berücksichtigt. Für die „Kompetenten Schulen“ gilt, dass Schulleitungen regelhaft eine hohe Priorität auf die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Vision des Kollegiums legen, Unterrichtsbesuche durchführen. An ihren Schulen steht der Erwerb computer- und informationsbezogener Kompetenzen im Schulprogramm. In annähernd ¾ der Fälle behandelt die Schulleitung zudem die Förderung des Computereinsatzes im Fachunterricht und die Entwicklung eines Schulkonzepts zur systematischen Planung des Computereinsatzes in Lehr- / Lernkontexten prioritär. Zudem werden in ¾ der Fälle Entlastungsstunden für die Planung des Unterrichts mit digitalen Medien bereitgestellt, und es werden Arbeitsgruppen zur Koordination pädagogischer Innovationen eingerichtet.
An den „Zurückhaltenden Schulen“ ist das Schulleitungshandeln hingegen schwächer und uneinheitlicher ausgebildet. So ist für die Schulleitung die Schaffung von Anreizen für Lehrkräfte (um die Integration der IT-Nutzung in den Unterricht zu fördern) oder eine systematische Planung des Computereinsatzes in Lehr- /Lernkontexten nicht prioritär, wohingegen die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Vision im Kollegium vorangetrieben ist. Auch werden nur gelegentlich Entlastungsstunden zur Planung von Unterricht mit digitalen Medien gewährt.
Am schwächsten ist das Schulleitungshandeln in Bezug auf digitale Medien an den „Pragmatischen Schulen“ ausgeprägt. Bei ihnen sind aufgrund der geringen Fallzahlen allerdings nicht alle Ergebnisse belastbar.
Schließlich zeigt sich in den Daten, dass es in Deutschland keine Schule des Typs „Vorreiterschule“ gibt.
In ihrer abschließenden Diskussion heben Eickelmann et al. hervor, dass sich das Phänomen organisationaler Resilienz auch für den CIL-Bereich an Schulen nachweisen lässt und in den Bildungssystemen unterschiedlicher Länder besteht. Den Anteil von ca. 12% resilienter Schulen in Deutschland bewerten sie positiv, da er im internationalen Vergleich verhältnismäßig hoch ist und es, dem Autorenteam zufolge, demnach relativ vielen Schulen gelingt, trotz herausfordernder Hintergrundmerkmale wie die soziale Lage der Schülerinnen und Schüler erfolgreich in der Kompetenzvermittlung im Umgang mit digitalen Medien zu sein.
Auch sei es im Rahmen der Beantwortung ihrer zweiten Fragestellung gelungen, resiliente Schulen anhand von Merkmalen in vier Gruppen einzuteilen. Auf der Basis ihrer Befunde mahnen sie eine bessere IT-Ausbildung oder -Fortbildung der Lehrer und die Schaffung einer verbesserten IT-Infrastruktur an. Hierin vermuten sie eine zentrale Stellschraube, um soziale Disparitäten auf Schulebene zu reduzieren.
Bezüglich der dritten Forschungsfrage heben Eickelmann et al. hervor, dass sich die Gruppen von Schulen erheblich im Hinblick auf das Schulleitungshandeln unterscheiden. Sie gehen davon aus, dass das Schulleitungshandeln v.a. an Schulen mit benachteiligter Schülerschaft von besonderer Bedeutung sei und regen an, die Schulleitungsprofessionalisierung im Kontext des digitalen Wandels im Blick zu behalten. Das Autorenteam wertet die empirisch gefundene Bedeutsamkeit des Schulleitungshandelns für Schulen mit besonders benachteiligter Schülerschaft hinsichtlich der „Deutlichkeit“ als empirisches Novum. Dies könne man hinsichtlich des thematischen Fokus Erwerb von computer- und informationsbezogenen Kompetenzen konkreter auf die Frage von Schulen in herausfordernder Lage beziehen. Hier fällt auf, dass der Forschungsstand explizit zu Schulen in herausfordernder Lage vernachlässigt wird (z.B. die durchaus schon zahlreichen Studien aus dem angloamerikanischen Raum). In diesem Zusammenhang bleibt auch das genutzte Konstrukt der organisational resilienten Schulen diffus dahingehend, welche Faktoren dazu beitragen, dass Schulen organisational resilient sind und wie dies kausal zum Erwerb von informations- und computerbezogenen Kompetenzen modelliert ist.
Hinsichtlich ihres aus ICILS herangezogenen Rahmenmodells bleiben ebenfalls Fragen offen: Das Autorenteam verortet die Voraussetzungen als zwar relevante Faktoren, welche aber sich nicht direkt auf den Kompetenzerwerb auswirken. Was hier mittelbar wirkt, bleibt unklar. Ebenfalls ist das Verständnis von Einstellungen als Prozessmerkmale nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar. Das Autorenteam führt schließlich an, weitere relevante Faktoren als Prädiktoren zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Kooperation von Lehrkräften. Gerade an dieser Stelle wäre es wünschenswert, wenn der (internationale) Forschungsstand zu Gelingensbedingungen an Schulen in herausfordernder Lage mit aufgearbeitet wäre. So bleibt die zentrale Kritik, dass der Forschungsansatz auf Annahmen zu Merkmalen erwartungswidrig erfolgreicher Schulen rekurriert, der relevante Forschungsstand zu Schulen in herausfordernden Lagen jedoch gar nicht rezipiert wird.
Die Grenzen ihrer Studie sehen die Autorinnen und der Autor neben dem vorliegenden Querschnittsdesign darin, dass unklar sei, ob die unerwartet hohen Kompetenzen (im IT-Bereich) der Jugendlichen an den resilienten Schulen überhaupt auf schulische Ursachen zurückzuführen seien. Dies steht im Widerspruch bezüglich ihrer zuvor getroffenen Feststellung, dass die Untersuchung gezeigt habe, dass Schulleitung (verstanden als schulischer Faktor) eine besondere Rolle für diese Schulen innehat. Auch weisen sie auf die problematische Fassung des Kriteriums „Nutzungshäufigkeit“ hin, welche verhindere, dass mehr Schulen in Deutschland den Status der „kompetenten Schule“ erreichten. Auch müssten zukünftig detailliertere Untersuchungen zur Nutzungsqualität digitaler Medien erfolgen.
Eine Bewertung der von Eickelmann et al. vorgelegten Untersuchung fällt äußerst zwiespältig aus. Der Nachweis, dass es organisational resiliente Schulen gibt, die selbst unter sozioökonomisch problematischen Bedingungen bei der Vermittlung computer- und informationsbezogener Kompetenzen sehr erfolgreich sind, ist insofern von großer Bedeutung, als er Hoffnung macht, die mit sozioökonomischen Strukturen zusammenhängenden Einschränkungen bei der Kompetenzentwicklung im schulischen Rahmen eventuell überwinden zu können.
Auch der Versuch, resiliente Schulen anhand ihrer Merkmale in Gruppen einzuteilen, ist zunächst zu begrüßen, da eine Wissenslücke geschlossen wird. Die Gruppeneinteilung ist allerdings nur dann für weitergehende Überlegungen zu gebrauchen, wenn die Gruppeneinteilung nicht nur auf die resilienten, sondern auch auf die nicht-resilienten angewandt wird. Aus dem Vergleich der Häufigkeitsverteilung der Gruppen jeweils für die resilienten und die nicht-resilienten Schulen könnten sich Hinweise ergeben, unter welchen Umständen Schulen in problematischen sozioökonomischen Kontexten ihre Probleme bei der Kompetenzvermittlung verringern können. Ein derartiger Vergleich wird jedoch nicht durchgeführt.
Auch die dritte Forschungsfrage erscheint zunächst sinnvoll. Doch weichen Eickelmann et al. ihrem Thema – der Identifikation übergeordneter Merkmale resilienter Schulen – aus. Einen theoretisch begründeten Bezug, inwiefern Schulleitungshandeln mit schulischer Resilienz in Zusammenhang stehen könnte, stellen sie nicht her. Damit ist die Beantwortung der dritten Forschungsfrage zwar sinnvoll, trägt aber zum eigentlichen Thema wenig bei. Immerhin ließen sich Hinweise darauf, wie zukünftig die Kompetenzvermittlung durch gutes Schulleitungshandeln verbessert werden könnte, dann ermitteln, wenn resiliente und nicht-resiliente Schulen vergleichend betrachtet würden. Aber ein solcher Vergleich unterbleibt.
Neben den hier genannten Punkten gibt es allerdings noch weitere gravierende Probleme: Bei der Forschungsfrage 2 etwa wird erwähnt, dass in Deutschland 11,8% von 136 untersuchten Schulen als resilient betrachtet werden müssten. Rechnet man dies um, so ergibt sich ein Wert von 16 resilienten Schulen. Diese Fallzahl ist sehr gering. Damit steht die Repräsentativität der Befunde in Zweifel.
Bei der dritten Forschungsfrage ist einschränkend zu konstatieren, dass der alleinige Fokus auf die resilienten Schulen noch nichts darüber besagt, ob diese Schulen wegen oder trotz ihres Schulleitungshandelns erfolgreich sind. Tatsächlich wäre es spannend zu untersuchen, worin sich die resilienten Schulen im Vergleich zu erwartungskonform schlecht abschneidenden Schulen unterscheiden. Dem wurde hier nicht nachgegangen – perspektivisch wären solch vergleichende Analysen von Interesse.
Auch ein weiterer wichtiger Punkt wird praktisch nicht diskutiert. ICILS 2013 betrachtet bei der Feststellung der CIL auch die Fähigkeiten, Informationen zu sammeln, zu bewerten, zu organisieren, zu erzeugen und auszutauschen. Hierfür bedarf es aber eigentlich nicht unbedingt des Zugriffs auf den Computer, diese Fähigkeiten können auch – etwa im Deutsch- oder Geschichtsunterricht – an nichtdigitalen Quellen erworben werden. Um zu verstehen, warum Schüler computer- und informationsbezogene Kompetenzen in unterschiedlichem Ausmaß besitzen, müsste also eigentlich auch erfasst werden, ob sie durch derartige Arbeit an analogen Quellen bereits Kompetenzen erworben hatten, welche sich mühelos auf den digitalen Kontext übertragen ließen.
Auch sei daran erinnert, dass CIL keineswegs nur in der Schule erworben wird. Angesichts der großen Bedeutung von Computern im Alltagsleben dürfte ein Teil der Kompetenzen von den Schülern bereits unsystematisch durch alltäglichen Umgang mit Computern und die Diskussion von so gewonnenen Informationen im Kreis von Freunden, Familien usw. erworben worden sein. Der Zusammenhang zwischen CIL und Schulunterricht dürfte damit nicht allzu eng sein. Damit hat aber jeder Versuch, einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an CIL und schulischen Strukturen herzustellen, nur eingeschränkte Gültigkeit.
Schließlich gerät im Lauf der Untersuchung die zunächst gewählte internationale Perspektive zunehmend aus dem Blickfeld. Die von den Autorinnen und dem Autor angesprochene „Möglichkeit […], durch internationale Vergleiche von anderen Bildungssystemen zu lernen“ wird nicht weiter verfolgt.
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