Fragestellungen der Studie:

  • Wie werden von Lehrkräften die Voraussetzungen für digitales Lernen eingeschätzt?
  • Wie beurteilen Lehrkräfte ihre mediendidaktischen Kompetenzen?
  • Wie häufig und in welcher Art und Weise werden digitale Medien im Unterricht eingesetzt?
  • Wie ist die Qualität des Medieneinsatzes zu bewerten?
  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Voraussetzungen für digitales Lernen und der Qualität des Medieneinsatzes?
  • Gibt es Unterschiede zwischen Schulformen oder Schulen mit bzw. ohne Medienkonzept?

Rezension zur Studie

Sailer, M., Murböck, J. & Fischer, F. (2017). Digitale Bildung an bayerischen Schulen – Infrastruktur, Konzepte, Lehrerbildung und Unterricht. Onlinedokument: https://www.vbw-bayern.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Bildung/2017/Downloads/Bi-0146-001_vbw_Studie_Digitale-Bildung-an-bayerischen-Schulen.pdf [15.04.2019].

In der vorliegenden Studie zur digitalen Bildung an bayerischen Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien wurden bayerische Lehrkräfte an den genannten Schularten befragt und Dokumentenanalysen von Lehrplänen, Hochschul- und Fortbildungsangeboten vorgenommen. Folgende Fragestellungen wurden dabei in den Blick genommen: Wie werden aus Sicht von Lehrkräften die Voraussetzungen für digitales Lernen (z.B. personelle medienpädagogische Unterstützung, Engagement der Schulleitung, konzeptuelle Verankerung der Medienbildung in der Schule, Qualifizierung der Lehrkräfte) eingeschätzt? Wie beurteilen Lehrkräfte ihre mediendidaktischen Kompetenzen? Wie häufig und in welcher Art und Weise werden digitale Medien im Unterricht eingesetzt? Wie ist die Qualität des Medieneinsatzes zu bewerten? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Voraussetzungen für digitales Lernen und der Qualität des Medieneinsatzes? Gibt es Unterschiede zwischen Schulformen, Regierungsbezirken oder Schulen mit bzw. ohne Medienkonzept?

Die Ergebnisse zeigen: Nach Angaben der befragten Lehrkräfte besitzt die Mehrzahl der Schulen ein Medienkonzept. Die technische Ausstattung für digitales Lehren und Lernen wie auch das Engagement der Schulleitungen werden insgesamt positiv bewertet. Die Medienkompetenzförderung ist in den Lehrplänen der untersuchten Fächer verankert, wenngleich hier Unterschiede in den Fächern bestehen und anspruchsvollere Medienkompetenzen weniger häufig berücksichtigt werden. Bezüglich der wahrgenommenen medienpädagogischen und technischen Unterstützung zeigen sich die Lehrkräfte indes weniger zufrieden. Die Lehrkräfte bewerten ihre mediendidaktische Qualifizierung während der Lehramtsausbildung weniger zufriedenstellend als die erlebte Förderung solcher Lehrkompetenzen im Rahmen von Fortbildungen. Insgesamt macht auch die Analyse der Modulhandbücher der Lehramtsstudiengänge eine lediglich geringe Berücksichtigung mediendidaktischer Lehrkompetenzen transparent.
Die eigene Medienkompetenz und das mediendidaktische Wissen werden von den Lehrkräften insgesamt eher positiv eingeschätzt. Durchschnittlich finden 42 Prozent des Unterrichts unterstützt durch digitale Medien statt, wobei dies überwiegend zur Förderung passiver Lernaktivitäten geschieht.
Die Zusammenhangsanalysen ergeben, dass die Häufigkeit des Medieneinsatzes im Unterricht mit dem Alter der Lehrkräfte, mit der positiven Beurteilung von Fortbildungen, dem Rückgriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse und dem Zutrauen, medientechnische Probleme lösen zu können, einhergehen. Ebenso bestehen positive Zusammenhänge zwischen dem Engagement von Schulleitungen, den Einsatz von Medien zu befördern und einem Einsatz, der vor allem auch gezielt Lernaktivitäten von Schülerinnen und Schülern anregt. Bezüglich der Unterschiedsfragen zeigen sich mit Blick auf Schulform und Regierungsbezirk keine systematischen Verschiedenheiten. Allerdings bewerten Lehrkräfte an Schulen, an denen ein Medienkonzept vorhanden ist, die wahrgenommene medienpädagogische Unterstützung besser.

Besonders hervorzuheben ist bei dieser Untersuchung, dass nicht nur die Rahmenbedingungen für den Medieneinsatz sowie die Häufigkeit der Verwendung digitaler Medien im Unterricht analysiert werden, sondern der Blick auch auf die Qualität des digital gestützten Unterrichts gelenkt wird. Hier wird deutlich, dass das didaktische Potential digitaler Medien häufig noch nicht ausgeschöpft wird. Dieser und weitere Aspekte machen die Studie auch über das Bundesland Bayern hinaus interessant und relevant.

Der Einsatz digitaler Medien in der Schule ist aktuell das bildungspolitisch dominierende Thema. Die Digitalisierung des Unterrichts ist dabei aber weder Selbstzweck noch Selbstläufer. Vielmehr soll das Lernen mit und über Medien die Heranwachsenden befähigen, sich souverän und verantwortungsvoll in einer Lebens- und Arbeitswelt unter den Bedingungen der Digitalität zu bewegen.

In der bildungspolitischen Debatte besteht mittlerweile darüber Konsens, dass die Kinder und Jugendlichen von heute nur dann aktiv an der digitalen Gesellschaft von morgen teilhaben können, wenn sie sachkompetente und gleichzeitig kritische Nutzer digitaler Angebote werden. Spätestens mit der Verabschiedung der KMK-Strategie „Bildung in einer digitalisierten Welt“ wurde daher in allen Bundesländern die Zielsetzung fokussiert, Kompetenzen integrativ in den Fachcurricula aller Fächer zu verankern, die eine selbstbestimmte und aktive Nutzung von Medien sowie deren kritisches Verständnis ermöglichen.

In der im Folgenden rezensierten Studie stellen die Autorin und Autoren heraus, dass neben der Quantität auch und vor allem die Qualität des Medieneinsatzes im Unterricht zur Förderung der Lernprozesse im Allgemeinen und der Medienkompetenz im Besonderen entscheidend ist. In zahlreichen Studien wurde in den letzten Jahren die Nutzungshäufigkeit digitaler Medien untersucht. Hinsichtlich der Berücksichtigung qualitativer Aspekte, also der Art der digital gestützten Lernaktivitäten, machen die Autorin und Autoren jedoch ein Forschungsdesiderat aus, zu dessen Schließung die vorliegende Publikation einen Beitrag leisten soll. Als Grundlage und theoretische Rahmung rekurriert die Studie auf ein „Rahmenmodell digitaler Bildung“, das die Voraussetzungen für den lernförderlichen Einsatz digitaler Medien in Unterrichtskontexten an bayerischen Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien auf Seiten der Schulen und Bildungsadministration ebenso beleuchtet wie auf der Seite der Lehrkräfte. Überdies werden lerntheoretische Überlegungen zur qualitativen Unterscheidung von Lernaktivitäten mit einbezogen.

Das „Rahmenmodell digitaler Bildung“ als theoretische Fundierung der Studie weist drei zentrale Faktoren aus, die ausschlaggebend für die Art und Häufigkeit des Medieneinsatzes von Lehrkräften sind. Zum einen sind Merkmale der Schulen und Bildungsadministration relevant. Hierzu zählen die Lehrpläne, die technische Ausstattung, die Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer in technischen und medienpädagogischen Fragestellungen sowie die Rolle der Schulleitung und die Existenz eines schuleigenen Medienkonzepts. Die Qualifizierung des Lehrpersonals in allen Phasen der Lehrerbildung bildet die zweite Voraussetzung für digitales Lernen. Als drittes Faktorenbündel werden die medienbezogenen Kompetenzen der Lehrkräfte ausgemacht, welche dem Modell zufolge einen starken Einfluss auf Quantität und Qualität des Medieneinsatzes haben.

In einem ersten Schritt wird in der Untersuchung der Frage nachgegangen, wie die Lehrerinnen und Lehrer die Voraussetzungen für digitales Lernen an den drei bayerischen Schularten beurteilen. Zudem fragt die Studie nach der Verankerung der Medienkompetenzförderung in den schulischen Lehrplänen, in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte sowie in schuleigenen Medienkonzepten. Daran anknüpfend wird aufgezeigt, wie die Lehrkräfte ihre eigene Medienkompetenz sowie ihre mediendidaktischen Lehrkompetenzen selbst einschätzen. Die Untersuchung des Medieneinsatzes im Unterricht unterscheidet zwischen Häufigkeit sowie Art und Weise, wobei verschiedene Qualitätsstufen ausgewiesen werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden Zusammenhänge zwischen den einzelnen Voraussetzungsfaktoren mit der Qualität und Quantität des Medieneinsatzes herausgestellt. Ergänzt wird die Studie durch die Benennung künftiger Herausforderungen sowie konkreter Empfehlungen zur Weiterentwicklung der digitalen Bildung.

Die Studie wurde vom Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München zwischen März und September 2017 durchgeführt und von der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. -- gefördert. Zugrunde lag eine für den Freistaat Bayern repräsentative Telefonbefragung von 410 Lehrkräften an bayerischen Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien. Die Quotenstichprobe der Telefonbefragung und die Gewichtung der Personenstichprobe wurden auf Grundlage statistischer Referenzdaten nach Regierungsbezirk und Schulart vorgenommen. Insgesamt wurden 243 weibliche und 167 männliche Lehrkräfte (n=410) in allen sieben Regierungsbezirken Bayerns befragt. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 48 Jahren, die durchschnittliche Lehrtätigkeit bei 20 Jahren. Die computergestützte Telefonbefragung (CATI) wurde im Zeitraum vom 6. März bis 10. April 2017 von einem externen Meinungsforschungsinstitut vorgenommen.

Im Zentrum der Befragung stand die Untersuchung der Voraussetzungen für den Einsatz digitaler Medien an bayerischen Schulen (Merkmale der Schule, Qualifizierung der Lehrkräfte), die Selbsteinschätzung der Lehrkräfte in Bezug auf ihre medienbezogenen Kompetenzen (eigene Medienkompetenzen, mediendidaktische Lehrkompetenzen) sowie die Quantität und Qualität des Medieneinsatzes.

Zum anderen wurde eine curriculare Analyse ausgewählter bayerischer Lehrpläne (n = 102) der o. g. Schularten, fachspezifischer Module der Lehramtsausbildung (n = 2.186) sowie fachspezifischer zentraler Fortbildungsangebote für Lehrkräfte in Bayern (n = 225) durchgeführt. Untersucht wurde, inwieweit die Förderung medienbezogener Kompetenzen in den schulischen Lehrplänen und Angeboten der Lehrerbildung verankert ist. Fokussiert wurden dabei folgende Analysekategorien: die Verankerung der Förderung medienbezogener Kompetenzen insgesamt, die Verankerung von eigenen Medienkompetenzen der Lehrkräfte bzw. Medienkompetenzen der Schülerinnen und Schüler sowie mediendidaktische Lehrkompetenzen (mediendidaktisches Wissen und Handeln), die dem Modell der Kernkompetenzen von Lehrkräften für das Unterrichten in einer digitalisierten Welt zugrunde liegen und in der Studie im Einzelnen beschrieben sind.

Das Analysevorgehen gestaltete sich wie folgt: Jeder Inhalt wurde daraufhin untersucht, ob die o. g. Kategorien explizit genannt sind, d. h. ob in der Datengrundlage die Förderung von Medienkompetenz bzw. digitaler Bildung als Lerninhalt oder Lernziel enthalten ist. Des Weiteren wurde in den Dokumenten untersucht, ob die genannten Medienkompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Einzelnen verankert sind. Mit Blick auf ein objektives Vorgehen wurde ein Teil dieser Daten von zwei Personen unabhängig voneinander erhoben. Die Übereinstimmung der Analysen (k = .75 bis k = 1) beträgt im Durchschnitt k = .86, was eine gute Objektivität widerspiegelt. Zudem wurde für jede Analyseeinheit ein prozentualer Anteil seines Vorkommens relativ zur Summe der untersuchten Lehrpläne bzw. der Module der Lehramtsausbildung und der Fortbildungsangebote für Lehrkräfte berechnet. Die vorgenommenen Zusammenhangsanalysen erfolgten mittels Regressionsanalysen; zur Ermittlung von Gruppenunterschiedenen wurden Chi²-Analysen und T-Tests eingesetzt.

Die curriculare Analyse der Lehrpläne der Mittel- und Realschule sowie des Gymnasiums in Bayern wurde auf die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik und Informatik begrenzt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Medienkompetenzförderung integraler Bestandteil in allen untersuchten Schularten und Fächern ist, wenngleich in unterschiedlicher Gewichtung und Schwerpunktsetzung. Hervorzuheben ist der Befund, dass über alle Fächer hinweg – eine Ausnahme bildet hier lediglich das Fach Englisch – der Kompetenzbereich Bedienen und Anwenden digitaler Medien am häufigsten verankert ist. Andere Kompetenzbereiche, wie das Kommunizieren und Kooperieren und insbesondere Produzieren und Präsentieren, sind demgegenüber seltener in den Lehrplänen festgeschrieben.

Eine Parallele zeigt sich in diesem Kontext bei den Ergebnissen der Studie zur Medienausstattung an bayerischen Schulen. Etwa zwei Drittel der Lehrkräfte zeigen sich zufrieden mit dem Grad der Geräteverfügbarkeit. Beamer, CD-Player, Dokumentenkameras, stationäre Computer und Notebooks können häufig verwendet werden. Der Verbreitungsgrad von Medien, welche eigenaktive, kollaborative und interaktive Lernszenarien unterstützen, wie beispielsweise Smartphones oder Tablets, ist hingegen deutlich niedriger. Fast 90 Prozent aller befragten Lehrerinnen und Lehrer geben an, in allen Räumen Internetzugang zu haben, gleichwohl nur in ca. 50 Prozent der Fälle in hinreichender Internetgeschwindigkeit.

Mit der Unterstützung bei technischen Problemen zeigt sich nur ca. ein Viertel, bei medienpädagogischen Fragestellungen lediglich knapp ein Drittel der befragten Lehrkräfte vollumfänglich zufrieden.

In 90 Prozent der Fälle nehmen die Lehrerinnen und Lehrer wahr, dass die Schulleitung die Integration digitaler Elemente in den Unterricht unterstützt bzw. empfiehlt. In knapp drei Vierteln aller Schulen liegt, so die Angaben der Befragten, bereits zum Befragungszeitpunkt ein schuleigenes Medienkonzept vor.

Mit Blick auf die Ausbildung der Lehrkräfte betonen die Verfasserin und Verfasser der Studie, dass digitale Bildung im Lehramtsstudium an bayerischen Universitäten noch recht gering verankert ist. Insbesondere den Medieneinsatz, der über die Verwendung als Präsentationsmittel hinausgeht, hat über die Hälfte der Befragten im Studium nicht vermittelt bekommen. Auch im Referendariat wird dieser Aspekt häufig nicht oder nur am Rande gewürdigt. Sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Phase der Lehrerausbildung lässt sich diesbezüglich jedoch seit einigen Jahren ein positiver Trend verzeichnen.

Ein anderes Bild ergibt eine Betrachtung der Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte; knapp zwei Drittel der Befragten geben an, dass digitale Medien hier (sehr) häufig in einem breiten didaktischen Spektrum, das über das Präsentieren hinausgeht, thematisiert werden.

Die Autorin und Autoren verweisen auf Zusammenhänge zwischen der Aus- und Fortbildung und den medienbezogenen Kompetenzen der Lehrkräfte. Das zugrundeliegende Rahmenmodell digitaler Bildung geht davon aus, dass die mediendidaktischen Lehrkompetenzen, differenziert in mediendidaktisches Wissen und Handeln, neben den eigenen Medienkompetenzen relevant für einen häufigen und qualitativ hochwertigen Medieneinsatz im Unterricht sind. Die Mehrheit der Befragten verwendet digitale Medien im privaten wie beruflichen Bereich (sehr) häufig und schätzt die eigenen Medienkompetenzen eher positiv ein. Auch ihr mediendidaktisches Wissen (nach Valtonen et al. (2015) unterteilbar in medienbezogene informatische, fachliche, pädagogisch-psychologische und fachdidaktische Kenntnisse) beurteilen die Lehrkräfte mehrheitlich als ausgeprägt. Insbesondere beim Erkennen von Hilfebedarf während digital gestützter Lehr-/Lernszenarien auf Grundlage wissenschaftlicher Befunde, der Evaluation (mediengestützter) Lernprozesse und der systematischen Dokumentation von Unterrichtsszenarien machen die Verfasserin und Verfasser der Studie allerdings Optimierungspotentiale aus.

Die eben skizzierten Faktoren werden, wie oben bereits erwähnt, als maßgeblich für die Art und den Umfang des Medieneinsatzes im Unterricht eingeschätzt. Hinsichtlich der Qualität des Einsatzes verdeutlicht die Studie, dass 42 Prozent des Unterrichts digital gestützt abgehalten wird. Insbesondere in Phasen des Lehrervortrags wird sehr häufig auf Präsentationsmedien zurückgegriffen. Folglich dominiert mit Blick auf die Qualität des Medieneinsatzes laut der Autorin und den Autoren die in Anlehnung an das ICAP-Framework von Chi (2009) ausgewiesene Qualitätsstufe 1 (Förderung passiver Lernaktivitäten). Die höherrangigen Stufen 2 bis 4 zur Förderung aktiver, konstruktiver und interaktiver Lernaktivitäten werden hingegen bislang weniger realisiert. So verwenden lediglich 41 Prozent der befragten Lehrkräfte digitale Medien (sehr) häufig auf der höchsten Stufe, bei der die Lernenden kreativ über die vorgegebenen Lernmaterialien hinausgehend und dabei die Überlegungen und Beiträge ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler berücksichtigend aktiv werden. Dies ist beispielsweise bei der kollaborativen Texterstellung mit Peer-Feedback der Fall. Die Autorin und Autoren gehen davon aus, dass daher Potentiale digitaler Medien zur Steigerung des Lernerfolgs nicht vollständig ausgeschöpft werden, da die Lernenden die Medien häufig nur als passive Rezipienten nutzen.

Die Zusammenhangsanalyse macht u. a. transparent, dass ein niedrigeres Lebensalter der Lehrkräfte positiv mit der Häufigkeit des Medieneinsatzes im Unterricht korreliert, jedoch keine signifikanten Zusammenhänge mit der Qualität bestehen. Folglich lässt sich eine qualitativ höhere mediendidaktische Kompetenz von jüngeren Lehrerinnen und Lehrern nicht belegen. Erfahrungen im Studium und bei Fortbildungen mit dem Medieneinsatz auf den höheren Qualitätsstufen sowie das Engagement der Schulleitung in diesem Bereich leisten hingegen einen Beitrag zur Steigerung der Qualität.

Aus den Ergebnissen der Studie wird eine Reihe von Empfehlungen abgeleitet: Die Autorin und Autoren sprechen sich u. a. für eine Überarbeitung der Lehrpläne mit der Zielsetzung einer systematischeren, d. h. über die Fachgrenzen und Jahrgangsstufen hinweg abgestimmten Verankerung des Medienkompetenzerwerbs der Schülerinnen und Schüler aus. Mit Blick auf die technische Ausstattung wird, neben der Forcierung einer stabilen Internetverbindung, eine Verbesserung der Verfügbarkeit von Medien angeregt, die Unterrichtsszenarien auf den höheren Qualitätsstufen unterstützen. Auch in den Medienkonzepten der Schulen soll die Qualität des Medieneinsatzes stärkere Berücksichtigung finden. Des Weiteren wird empfohlen, die technische und medienpädagogische Unterstützung für die Lehrkräfte flächendeckend auszuweiten. Für die Lehramtsstudiengänge halten die Verfasserinnen und Verfasser einen Ausbau sowie eine bessere Koordination der medienbezogenen Angebote für nötig und präferieren ein alle Phasen der Lehreraus- und -fortbildung umfassendes Konzept zur Förderung medienbezogener Kompetenzen für (angehende) Lehrerinnen und Lehrer. Hierzu ist auch eine Qualifizierung der an den Universitäten in die Lehramtsstudiengänge involvierten Dozentinnen und Dozenten nötig. Im Zusammenhang mit mediendidaktischen Lehrerkompetenzen regen die Autorin und Autoren an, stärker auf Kompetenzen zur Initiierung, Begleitung und Evaluation aktiver, konstruktiver und interaktiver Lernaktivitäten zu fokussieren und eine Kultur des Teilens von Unterrichtsmaterialien unter den Kolleginnen und Kollegen zu forcieren.

Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Ergebnisse erweist sich die vorliegende Studie als erhellend für das deutsche Bildungswesen als Ganzes sowie für jede einzelne Ebene desselben im Speziellen, da das Bedingungsgefüge und die Interdependenzen der Merkmale der Bildungsadministration und Schulen transparent aufgezeigt und die Voraussetzungen für nachhaltiges digital gestütztes Lehren und Lernen dargelegt werden. Die aus den Studienergebnissen und weiteren herangezogenen wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleiteten Handlungsempfehlungen schlagen eine Brücke von der empirischen Forschung in die Praxis und zeigen Perspektiven auf, aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Mit der Fokusverlagerung von einer rein quantitativen auf eine auch qualitative Aspekte berücksichtigenden Analyse des Einsatzes digitaler Medien in Schule und Unterricht leisten die Verfasserin und Verfasser darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Schließung eines Forschungsdesiderats.

Dessen ungeachtet wäre es wünschenswert gewesen, einige zentrale Begriffe und Untersuchungsgegenstände der Studie präziser zu definieren – zu nennen ist hier etwa die „Digitale Bildung“ oder die erwähnten Medienkonzepte –, um einige Ergebnisse präziser einordnen und werten zu können. Die Autorin und Autoren verweisen ferner selbst darauf, dass insbesondere medienerzieherische Gesichtspunkte bei der curricularen Analyse wie auch mit Blick auf die Lehrerkompetenzen nicht hinreichend berücksichtigt wurden.

Die Studie stellt heraus, „dass in letzter Zeit große Schritte im Hinblick auf die digitale Bildung an öffentlichen Schulen in Bayern getan wurden“ (S. 43).Zahlreiche Befunde müssen jedoch unter der Einschränkung rezipiert werden, dass es sich bei den erhobenen Daten um Selbsteinschätzungen von Lehrkräften handelt -- mit allen erhebungstechnischen Problemen eines solchen Untersuchungsdesigns. Dies mag ein Aspekt sein, wie sich der in der Studie spiegelnde und teilweise sehr dynamische positive Trend hinsichtlich des Einsatzes digitaler Medien im Unterricht im Vergleich zu anderen Studien (wie etwa ICILS 2013) einordnen lässt. Überraschend positiv fällt auch das Ergebnis auf, dass knapp drei Viertel aller bayerischen Schulen der untersuchten Schularten über ein Medienkonzept verfügen, bedenkt man, dass die Studie noch vor der Medienkonzept-Initiative des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus durchgeführt wurde.

Mit ihren Befunden und Handlungsempfehlungen leistet die Studie gleichwohl einen wertvollen Beitrag, der die zentralen Akteure und Einflussfaktoren für die Gestaltung eines Bildungssystems unter den Bedingungen der Digitalität empirisch gestützt in den Blick nimmt und Schlussfolgerungen ableitet.

Diese Rezension wurde erstellt von:
Vera Haldenwang, Dr., Medienpädagogin, Wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Abteilung Medien), Arbeitsschwerpunkte: Medienentwicklungsplanung, Kulturelle Medienbildung, Medienerziehung

Simon Leicht, Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Abteilung Medien) Arbeitsschwerpunkte: Medienentwicklungsplanung, Kulturelle Medienbildung, Medienerziehung

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