Fragestellungen der Studie:

  • Was kennzeichnet Grund- und Förderschulen, an denen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sich wohler fühlen und besser lernen?
  • Unterscheidet sich das Wohlbefinden und die Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern mit Förderschwerpunkt Lernen in Grundschulen und Förderschulen?

Rezension zur Studie

Lütje-Klose, B., Neumann, P., Gorges, J. & Wild, E. (2018). Die Bielefelder Längsschnittstudie zum Lernen in inklusiven und exklusiven Förderarrangements (BiLieF) - Zentrale Befunde. DDS - Die Deutsche Schule, 110(2), 109–123.FIS Bildung

Ein zentraler Diskussionspunkt der Inklusionsdebatte ist, ob Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf eher von inklusiven oder exklusiven Fördersettings profitieren.

Lütje-Klose et al. untersuchen, wie sich die Lese- und Rechtschreibleistungen sowie das Wohlbefinden von 8-11-jährigen Schülerinnen und Schülern mit Förderschwerpunkt Lernen entwickeln, und zwar in Grundschulen (inklusiv) und Förderschulen (exklusiv).

Hierzu wurden im Rahmen einer Längsschnittuntersuchung die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern (n = 410) an drei Messzeitpunkten in der dritten und vierten Jahrgangsstufe getestet und Befragungen zum Wohlbefinden durchgeführt.

Im Ergebnis bestehen keine systematischen Unterschiede zwischen den Fördersettings. Ein Extremgruppenvergleich auf Grundlage von Fallstudien an 7 Schulen mit besonders hohen bzw. niedrigen Wohlbefindens- und Leistungswerten deutet darauf hin, dass vielmehr Faktoren, die nach Einzelschulen und Klassen variieren, bedeutsam dafür sind, wie wohl sich Schülerinnen und Schüler fühlen und wie sich ihre Leistungen entwickeln: Diese Faktoren betreffen die individuelle Ebene (im Kollegium geteilte Wertorientierungen und Einstellungen), die interaktionelle Ebene (gemeinsame didaktische Orientierungen und Gestaltung von Lehrer-Schüler- und kollegialen Beziehungen) sowie die institutionelle Ebene (inklusive Schulentwicklungsprozesse, etablierte Kooperationsstrukturen, Einsatz sonderpädagogischer Ressourcen).

Die Autorengruppe folgert, dass die gefundenen Einflussfaktoren auf Schul- und Klassenebene stärker in den Fokus von Forschung und Bildungspolitik rücken sollten, statt einseitig formale Systemmerkmale (inklusive vs. exklusive Beschulung) in den Blick zu nehmen.

Durch das Längsschnittdesign und den ergänzenden Extremgruppenvergleich liefert die Untersuchung aussagekräftige Ergebnisse, aus denen sich konkrete Ansatzpunkte z. B. für Unterstützungssysteme und die Schulpraxis ableiten lassen.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Wie beurteile ich die Situation an unserer Schule im Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft? Wie schätze ich meine eigenen Kompetenzen und Einstellungen diesbezüglich ein? Wobei wünsche ich mir Unterstützung?
  • Wie gestalte ich/wie gestalten wir an unserer Schule die Zusammenarbeit im Kollegium in Bezug auf Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf? Was kann ich/was können wir tun, um die Kooperation zu verbessern? Welche Unterstützung brauchen wir?
  • Inwieweit haben wir uns im Kollegium über methodisch-didaktische Prinzipien zur Individualisierung und Adaptivität ausgetauscht bzw. verständigt? Welches Maß an Übereinstimmung im pädagogischen Handeln ist für die Schülerinnen und Schüler sinnvoll und als Lehrkraft zu leisten?

Reflexionsfragen für Schulleitungen:

  • Wo stehen wir aktuell im inklusiven Schulentwicklungsprozess? Was können erste bzw. weitere Schritte im Prozess sein?
  • Wie ist die Haltung im Kollegium zur Inklusion und zum Umgang mit der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler? Welche Möglichkeiten kann ich nutzen, um positiv darauf einzuwirken?
  • Durch welche Strukturen und Maßnahmen kann ich die professionsübergreifende Kooperation im Kollegium unterstützen bzw. weiter verbessern

Ausgangslage der Untersuchung ist die sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Bildungspolitik und -praxis geführte Debatte über die Vor- und Nachteile einer inklusiven bzw. exklusiven Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf.

Die Autorengruppe verweist darauf, dass 10 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland die schulische Inklusion nach wie vor ein brisantes Thema darstelle. Die inklusive Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ziele darauf ab, diese zu besseren schulischen Leistungen, einer besseren sozialen Integration und mehr gesellschaftlicher Teilhabe zu führen. Bisher gebe es kaum aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu der Frage, welche Einflüsse verschiedene Fördersettings auf die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern mit Unterstützungsbedarfen haben. Insbesondere mangele es an längsschnittlichen Untersuchungen. Zudem seien ältere Befunde aus Deutschland aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen für die aktuelle Situation wenig aussagekräftig. Befunde aus internationalen Studien ließen sich nur bedingt auf das deutsche Schulsystem übertragen.

Die vorliegende Studie zielt darauf ab, die psychosoziale Entwicklung (z. B. das Wohlbefinden) sowie die Entwicklung der Lese- und Rechtschreibleistung von Kindern mit Förderschwerpunkt Lernen an Grundschulen (inklusives Setting) und an Förderschulen (exklusives Setting) vergleichend zu untersuchen. Dabei werden auch Merkmale der Schülerinnen und Schüler, der Familien, der Einzelschulen und des Unterrichts erfasst, um Einflüsse auf die Kompetenz- und psychosoziale Entwicklung identifizieren zu können.

Im Rahmen der Studie wurden zwischen 2012 und 2015 sowohl quantitative als auch qualitative Untersuchungen an Grund- und Förderschulen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt.

Quantitative Teilstudie
Die Kompetenz- und Wohlbefindensentwicklung von 410 Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt Lernen wurde über ein Längsschnittdesign mit drei Messzeitpunkten erfasst (Anfang/Mitte der dritten sowie Anfang und Ende der vierten Klasse). Dabei wurden drei verschiedene Fördersettings berücksichtigt: Grundschulen mit gemeinsamem Unterricht (GU) und Grundschulen in Kooperation mit einem Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung (KsF) als inklusive Settings sowie Förderschulen Lernen (FÖS-L), in denen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf exklusiv beschult werden. Eine zusätzliche Erhebung fand nach dem Übergang in die Sekundarstufe Mitte der fünften Klasse statt. Die Kompetenzen sowie die Einschätzungen zum Wohlbefinden wurden mit Hilfe von Tests und Einzelbefragungen der Schülerinnen und Schüler erhoben. Um Informationen zu Rahmenbedingungen der Schulen und Merkmalen des Elternhauses zu erhalten, wurden standardisierte Befragungen von Lehrkräften, Schulleitungen und Eltern durchgeführt.

Zum ersten Messzeitpunkt waren die Schülerinnen und Schüler zwischen 8 und 11 Jahre alt. Hinsichtlich des Migrationshintergrunds und des sozioökonomischen Status des Elternhauses sind die Stichproben der verschiedenen Fördersettings vergleichbar. In der Stichprobe der Förderschulen sind Jungen – wie auch in anderen Studien – überrepräsentiert.
Die Datenerhebungen an den Grundschulen erfolgten zwischen November 2012 und Juli 2014. Die Folgeerhebung im fünften Jahrgang wurde zwischen Januar und März 2015 durchgeführt.

Qualitative Teilstudie
Für die qualitative Untersuchung wurden aus der quantitativen Stichprobe insgesamt 7 Schulen für einen Extremgruppenvergleich ausgewählt, an denen die Schülerinnen und Schüler durchschnittlich hohe bzw. niedrige Leistungs- und Wohlbefindenswerte aufwiesen. Alle drei Fördersettings (GU, KsF und FÖS-L) sind in beiden Extremgruppen vertreten. An den ausgewählten Schulen wurden Gruppendiskussionen mit Lehrkräften der allgemeinen Schulen und Lehrkräften für Sonderpädagogik, Interviews mit Schulleitungen, Dokumentenanalysen und Unterrichtshospitationen durchgeführt. Diese wurden mit verschiedenen Methoden der qualitativen Sozialforschung ausgewertet und vergleichend interpretiert.

Psychosoziale Entwicklung und Kompetenzentwicklung
Das Wohlbefinden und das Selbstkonzept inklusiv beschulter Kinder und Förderschulkinder unterscheiden sich im Durchschnitt nicht. Die Autorengruppe vermutet, dass negative Folgen von sozialen Aufwärtsvergleichen und Stigmatisierungserfahrungen entweder ähnlich stark empfunden werden oder dass diese im Grundschulalter (noch) nicht so stark ausgeprägt sind. Innerhalb der Schulen ist jedoch eine große Spannweite zu beobachten.

Auch bei der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibkompetenzen bestehen zwischen den beiden Gruppen keine bedeutsamen und durchgehenden Unterschiede. Zwar weisen inklusiv beschulte Schülerinnen und Schüler im Querschnitt deutliche Leistungsvorsprünge gegenüber Förderschülerinnen und -schülern auf. Der jeweilige Leistungszuwachs über den Untersuchungszeitraum hinweg unterscheidet sich jedoch nicht bedeutsam und konsistent, da die Lesekompetenzentwicklung von inklusiv unterrichteten Schülerinnen und Schülern der dritten Jahrgangsstufe günstiger verläuft als die der Förderschulkinder, jedoch ist die Leistungsentwicklung im Schreiben an Förderschulen positiver.

Schulische Kontextfaktoren des Lernens
Im Rahmen der qualitativen Teilstudie zeigt sich, dass sich die Schulen mit durchschnittlich hohen bzw. niedrigen Leistungs- und Wohlbefindenswerten – wobei alle über eine vergleichbare Ressourcenausstattung verfügten – in einigen Punkten systematisch voneinander unterscheiden. In allen drei Schulmodellen zeichnen sich die Schulen mit hohen Leistungs- und Wohlbefindenswerten durch folgende Merkmale aus:

  • ein hohes Maß an etablierten Kooperationsstrukturen und gemeinsam entwickelten Konzepten zur adaptiven Unterrichtung und Förderung von Kindern mit heterogenen Eingangsvoraussetzungen
  • geteilte inklusive Werte der Lehrkräfte
  • gemeinsame didaktisch-methodische Prinzipien bezüglich Individualisierung und Herstellung von Gemeinsamkeit
  • grundsätzliche Akzeptanz von Heterogenität als Normalität verbunden mit einer adaptiven Leistungsorientierung; Verfolgung unterrichtsintegrierter und flankierender Maßnahmen, die an den jeweiligen Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler angepasst sind

Dabei ist es laut der Autorengruppe maßgeblich für die Realisierung dieser Aspekte, inwieweit die Schulleitungen die Entwicklung eines inklusiven Leitbildes forcieren und die Kooperation im Kollegium unterstützen.

Innerhalb der einzelnen Beschulungsmodelle zeigen sich im Extremgruppenvergleich weitere Unterschiede:

  • Die Förderschule mit besonders hohen Wohlbefindenswerten zeichnet sich im Gegensatz zu der anderen Förderschule durch einen hohen Grad an Anerkennung und Wertschätzung der Schülerinnen und Schüler sowie durch eine hohe individuelle Leistungsorientierung aus.
  • Im Modell des Gemeinsamen Unterrichts fällt auf, dass an den Schulen, an denen die Schülerinnen und Schüler hohe Kompetenz- und Wohlbefindenswerte aufweisen, der gleichberechtigten Kooperation und gemeinsamen Verantwortungsübernahme von Grundschullehrkräften und Lehrkräften für Sonderpädagogik eine besondere Bedeutung beigemessen wird. Eine Rollenüberschneidung und die gemeinsame Zuständigkeit für alle Kinder werden dabei als zentral angesehen.
  • Auch an der Grundschule in Kooperation mit einem Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung (KsF), an der die Schülerinnen und Schüler überdurchschnittliche Kompetenzen und ein hohes Wohlbefinden aufweisen, spielen etablierte Formate des Austausches und der gemeinsamen Planung von sonderpädagogischen Lehrkräften und Grundschullehrkräften eine entscheidende Rolle.
  • Sowohl im GU- als auch im KsF-Modell herrschten an den Schulen mit niedrigen Leistungen und geringem Wohlbefinden eine stärkere Aufteilung der Zuständigkeiten und eine abwertende Haltung der Grundschullehrkräfte gegenüber der Arbeit der sonderpädagogischen Fachkräfte vor. Dies geht zum Teil auch mit wenig wertschätzenden Äußerungen über die Schülerinnen und Schüler mit SPF-L sowie mit einer negativen Einstellung gegenüber der inklusiven Beschulung einher.

Hintergrund
Mit der vorliegenden Studie wurde ein zentrales und aktuelles Thema in den Blick genommen, das von hoher gesellschaftlicher und bildungspolitischer Bedeutung ist. Die Befunde liefern hochinteressante und relevante Erkenntnisse zu der Frage, wie sich inklusive und exklusive Fördersettings auf die Leistungen und das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderbedarf Lernen auswirken und welche (anderen) Faktoren dafür maßgeblich sind. Hier ergeben sich konkrete Ansatzpunkte für weitere bildungspolitische Entscheidungen und Maßnahmen sowie für Unterstützungssysteme und die Schulpraxis. Während die Debatte um einen engen vs. weiten Inklusionsbegriff sowie die Hintergründe und Einschränkungen der Bezeichnung von Regelschulen als inklusive Settings nachvollziehbar erläutert werden, fällt die weitere theoretische Fundierung in dem vorliegenden Artikel recht knapp aus und kann daher nur eingeschränkt beurteilt werden.

Design
Sowohl die quantitative als auch die qualitative Untersuchung überzeugen durch ein durchdachtes Design, das mit den berücksichtigten Fördersettings der spezifischen Situation in Nordrhein-Westfalen (im Erhebungszeitraum) Rechnung trägt. Dadurch und durch die Fokussierung auf die beschriebene Ziel- und Altersgruppe sind konkrete Erkenntnisse ableitbar, die auch auf andere Bundesländer übertragbar sein dürften.
Die quantitative Teilstudie liefert durch das längsschnittliche Design belastbare Erkenntnisse zur psychosozialen Entwicklung und zur Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler und schließt damit eine Forschungslücke. Kritisch anzumerken ist dabei, dass in dem vorliegenden Artikel keine genauen Angaben zu finden sind, wie viele Schulen der verschiedenen Fördersettings untersucht wurden (lediglich die Anzahl der Schülerinnen und Schüler wird genannt). Entsprechend lässt sich nicht einschätzen, wie groß der Anteil der an der Untersuchung beteiligten Schulen an allen Schulen der jeweiligen Fördermodelle ist. Auch auf sonstige quantitative Angaben zu den vorgenommenen Analysen wurde in dem Artikel verzichtet. Dies ist vermutlich den Vorgaben der Zeitschrift geschuldet, steht einer Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Befunde jedoch entgegen. Weiterhin finden sich in dem Artikel keinerlei Informationen zu den eingesetzten Erhebungsinstrumenten der Schülerbefragung. Ausführlicher und gut nachvollziehbar wurde dagegen der systematische Auswahlprozess der Schulen für die qualitative Teilstudie beschrieben. Durch die datengestützte Auswahl der Fallstudien sind die Ergebnisse des vorgenommenen Extremgruppenvergleichs zwar nicht generalisierbar, aber dennoch sehr aussagekräftig. Für weitergehende Untersuchungen wäre es von großem Interesse herauszufinden, ob sich die auf Klassen- und Einzelschulebene identifizierten Faktoren auch bei einer breiteren Datenbasis als bedeutsam für die Kompetenzen und das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler erweisen.

Ergebnisse
Die Untersuchung liefert zwei zentrale Erkenntnisse:

  1. Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen fühlen sich im Primarbereich sowohl in exklusiven als auch in inklusiven Settings durchschnittlich wohl, sind sozial eingebunden und unterscheiden sich in der Leistungsentwicklung nicht systematisch.
  2. Unterschiedliche Entwicklungen bei den Kindern sind vorrangig auf einzelschul- bzw. klassenspezifische Bedingungen zurückzuführen (wie z. B. etablierte Kooperationsstrukturen, gemeinsam entwickelte Konzepte zur adaptiven Förderung und Unterrichtung, geteilte inklusive Werte, gemeinsame didaktisch-methodische Prinzipien bezüglich Individualisierung vs. Herstellung von Gemeinsamkeiten, Akzeptanz von Heterogenität als Normalität, adaptive Leistungsorientierung). Das lässt sich aus der großen Streuung der Leistungs- und Wohlbefindenswerte innerhalb der jeweiligen Beschulungsformen und aus dem Extremgruppenvergleich im Rahmen der qualitativen Teilstudie ableiten.

Die Autorengruppe weist auf Grundlage dieser Ergebnisse darauf hin, dass sowohl in zukünftigen Forschungsvorhaben als auch bei bildungspolitischen Entscheidungen die genannten Bedingungen auf Schul- und Klassenebene stärker in den Fokus rücken sollten, statt einseitig formale Systemmerkmale (inklusive vs. exklusive Beschulung) in den Blick zu nehmen.

Aus Sicht der Rezensentin liefern die Studienergebnisse Anregungen für kontroverse Diskussionen. Dass sich das Wohlbefinden und die Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern in inklusiven und exklusiven Settings nicht systematisch voneinander unterscheiden, kann man vor dem Hintergrund der aktuellen bildungspolitischen Situation, in der inklusive und exklusive Settings parallel bestehen, als positiven Befund für die Schülerinnen und Schüler auffassen. Gleichzeitig sollte der Umstand, dass sich keine signifikanten Nachteile exklusiver Fördersettings auf die untersuchten Bereiche gezeigt haben, nicht als Legitimation genutzt werden, um exkludierende Strukturen beizubehalten.

Zum einen könnten hier weitere, nicht in der Untersuchung aufgenommene Aspekte von Bedeutung sein. Zum anderen bedarf es – so auch der Hinweis der Autorengruppe – weiterer Forschung in der Sekundarstufe I und darüber hinaus. Interessant ist zudem die Frage, wie sich die Kompetenzen und das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern ohne Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung in inklusiven und nicht-inklusiven Settings entwickeln.

Die ermittelten Faktoren, die sich auf Einzelschul- und Klassenebene als bedeutsam für die Kompetenzen und das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler erwiesen haben, sind zwar nicht vollkommen überraschend oder unerwartet. Dennoch sind die Erkenntnisse wertvoll, da sie datenbasierte Legitimierungs- und Argumentationshilfen für zukünftige Entwicklungen liefern. Die Befunde sollten unabhängig von den aktuellen und womöglich noch lange andauernden Strukturdebatten dazu genutzt werden, die Kooperationsstrukturen und Fördersettings an allen Schulen zu optimieren.

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Diese Rezension wurde erstellt von:
Simone Tusche, Dipl.-Päd., Referentin an der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule (QUA-LiS NRW), Soest. Arbeitsschwerpunkte: Bildungsberichterstattung, Transfer von Forschungswissen, Ganztagsschulforschung

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