Fragestellungen der Studie:

  • Inwiefern unterstützen Führungspersonen in Schulen in herausfordernden Lagen den Prozess der Datennutzung von Lehrkräften?
  • Inwiefern nutzen Führungspersonen in Schulen in herausfordernden Lage Daten als Impulse für Lehrkräfte, damit Überzeugungen reflektiert werden?

Rezension zur Studie

Klein, E. D. (2018). Transformationale Führung und Daten in Schulen in sozial deprivierter Lage. Die Deutsche Schule, 110(1), 27–46.FIS Bildung

Schulen in sozial deprivierter Lage (SsdL), hier definiert als verortet in Stadtteilen, unter deren Einwohnern ein hoher Anteil einen geringen sozio-ökonomischen Status besitzt, weisen verglichen mit Schulen aus nicht sozial deprivierter Lage häufig eine geringere Innovationsbereitschaft sowie besonders drängende Entwicklungsbedarfe auf. Die Autorin untersucht in ihrer Fallstudie, wie transformational führende Schulleitungen unter Verwendung extern und v.a. intern generierter Daten im Kollegium Werte, Überzeugungen und Ziele so beeinflussen und darüber verändern können, dass die Lehrkräfte ihrem pädagogischen und fachlichen Handeln eine höhere Wirksamkeit zuweisen. Gefragt wird danach, (1) inwiefern Schulleitungen in solchen Schulen Daten als Impulsgeber für Lehrkräfte nutzen, um Überzeugungen zu reflektieren, inwiefern (2) Schulleitungen den Prozess der Datennutzung unterstützen und schließlich ob (3) sich das untersuchte Führungshandeln dem theoretischen Ansatz der transformationalen Führung zuordnen lässt.

Die empirische Grundlage für die Beantwortung dieser Fragestellungen bilden die Befunde aus leitfadengestützten Interviews und Gruppendiskussionen an zwei US-amerikanischen Schulen in sozial deprivierter Lage, die als überdurchschnittlich erfolgreich gelten. Aus den Befunden geht hervor, wie diese Schulleitungen transformationale Führung praktizieren. Es werden Modi transformationaler Schulleitungsführung ausgemacht, bei denen jeweils konsequent auf datenbasierte Schul- und Unterrichtsentwicklung und eine diesbezügliche Unterstützung der Lehrkräfte gesetzt wird, um den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern aus schwierigen sozio-ökonomischen Verhältnissen zu vergrößern. Im Ergebnis konnten die vier Dimensionen der transformationalen Führung Idealisierter Einfluss, Inspirierende Motivation, Intellektuelle Stimulierung, Individualisierte Unterstützung in den Führungspraktiken der Schulleitungen abgebildet werden.

Das qualitativ angelegte Design der Untersuchung erlaubt keine kausalen Schlüsse zwischen dem transformationalen Führungsstil der Schulleitungen, der Datennutzung im Kollegium und den Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozessen in SsdL. Lediglich zwei Schulleitungen gelten als Beispiele eines transformationalen Führungsstils, der die Nutzung von Daten für erfolgreiche Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse einfordert.

Hinsichtlich des Designs und der damit verknüpften Auswertungsstrategie bleiben Fragen offen, z.B. warum auch Schulbezirksvertretungen interviewt wurden und wie sich in den Daten die Berücksichtigung auch der verschiedenen Akteursperspektiven zeigt bzw. voneinander abgrenzt (Schulleitungen, Lehrkräfte, Bezirksvertretungen). Die Ergebnisdarlegung scheint somit auf die Perspektive der Schulleitungen beschränkt zu sein. Unklar ist auch, warum zwar drei Schulen interviewt wurden, die weniger erfolgreiche Schule aber in der dargelegten Auswertung nicht berücksichtigt wurde. Schließlich wird keine Güte hinsichtlich der Datenauswertung berichtet (z.B. Intercoderreliabilität).

Die Beantwortung der drei Fragen erfolgt ausschließlich mit Blick auf zwei US-amerikanische Middle Schools. Die Übertragbarkeit der Befunde auf deutsche Schulen ist damit begrenzt, wie die Autorin selbst anmerkt. Dennoch bietet rein inhaltlich die Untersuchung in ihren Befunden ein hohes Sensibilisierungspotenzial für Zusammenhänge zwischen transformationaler Führung und eingeforderter Datennutzung mit dem Ziel, Schule und Unterricht erfolgreich weiterzuentwickeln. Dieses Potenzial begründet sich vor allem über die Rückbindung der empirisch ermittelten Praktiken an die theoretischen Dimensionen der transformationalen Führung, worüber dieses Konstrukt besser hinsichtlich auch seiner praktischen Umsetzung nachvollziehbar wird.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Habe ich Lerngruppen, die mich dazu bringen, sie eher defizitorientiert wahrzunehmen? (Und falls ja, verfüge ich über Anhaltspunkte, um diese Perspektive zu korrigieren?)
  • Sind mir intern oder extern erhobene Daten zugänglich, die ich in meine Unterrichtsplanung sinnvoll einfließen lassen kann?
  • Wie sollten Lernerfolgskontrollen gestaltet werden, damit sie effektiv in die weitere Unterrichtsplanung einbezogen werden können (ggf. auf Fachschaftsebene Standards entwickeln)?

Reflexionsfragen für Schulleitungen:

  • Eröffnet mir ein mehr transformational ausgelegter Führungsstil Chancen, um zukünftige Schul- und Unterrichtsentwicklungsvorhaben besser umzusetzen?
  • Wie lassen sich extern generierte Daten – wie bspw. die der QA – noch effektiver nutzen, um schulische Entwicklungsprozesse nachhaltiger und transparenter zu gestalten?
  • Welche intern erhobenen Daten sollten zukünftig auf welche Schulentwicklungsprozesse hin stärker in den Blick genommen werden?

 

Im Verhältnis zu Schulen aus einem Einzugsgebiet, dessen Einwohner mehrheitlich über einen durchschnittlichen oder überdurchschnittlichen sozio-ökonomischen Status verfügen, sehen sich Schulen in sozial deprivierter Lage (von der Autorin mit „SsdL“ abgekürzt) mit der Herausforderung konfrontiert, dass ihre Schülerinnen und Schüler über geringere soziale, kulturelle und ökonomische Ressourcen verfügen. Dies beeinflusst negativ die Lern- und Leistungsvoraussetzungen. Hinzu kommt, dass zwischen Lehrkräften und Schülerschaft erhebliche Differenzen bei habituellen Aspekten bestehen. Lehrkräfte an SsdL, so führt die Autorin aus, neigen gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern zur Defizitorientierung, nehmen sich in ihrem professionellen Handeln als nicht ausreichend wirksam wahr und wechseln eher die Schule. All diese Aspekte gelten als Faktoren, welche die Lernprogression bei Lernenden bremsen und die Schul- und Unterrichtsentwicklung erschweren.

Hier setzt die Autorin an, indem sie argumentiert, dass Leitungen gerade an solchen Schulen Lehrkräfte dahingehend unterstützen, dass diese ihre Annahmen und Überzeugungen konstruktiv reflektieren und die eigene Selbstwirksamkeitserwartung erhöhen. Gelingt dies, so steige die Innovationsbereitschaft im Kollegium. Ein zentraler schulentwicklerischer Ansatzpunkt liegt aus Sicht der Autorin in einer verbesserten Nutzung von schulischen Daten. Zur Beförderung einer datengestützten Schulentwicklung bietet sich wiederum ein transformationaler Führungsstil an, der auf Veränderungen bei Motiven, Einstellungen und Werten abzielt. Die Autorin führt aus, dass Schulleitungen beim transformationalen Führungsstil auf ihr Kollegium in vierfacher Weise Einfluss nehmen: mittels des so genannten idealisierten Einflusses (Schulleitungen als Vorbild; Setzen von Standards), mittels inspirierender Motivation (z.B. Anreize zur Datennutzung setzen), über intellektuelle Stimulierung (z.B. Anlässe für die Reflexion von Routinen schaffen) und schließlich über die individuelle Unterstützung (Führungskräfte bieten individuell passende Unterstützungsangebote z.B. für eine verbesserte Datennutzung, um so auch das Erfolgserleben zu stärken).

In der Untersuchung wird transformationales Führungshandeln von Schulleitungen aus SsdL unter enger Anbindung an Daten unter folgenden drei Forschungsfragen in den Blick genommen:

  • Inwiefern nutzen Führungspersonen in Schulen in sozial deprivierter Lage Daten als Impulse für Lehrkräfte, damit Überzeugungen reflektiert werden?
  • Inwiefern unterstützen Führungspersonen in Schulen in sozial deprivierter Lage den Prozess der Datennutzung, um ihren Lehrkräften den eigenen Beitrag zum Lernprozess der Schülerinnen und Schüler zu verdeutlichen und um die Datennutzung zu erhöhen?
  • Inwiefern lässt sich das untersuchte Führungshandeln dem Ansatz der transformationalen Führung zuordnen?

Diese drei Forschungsfragen berühren der Autorin zufolge ein umfangreiches Desiderat. Wie oben ausgeführt neigen Lehrkräfte an SsdL zu negativen Annahmen etwa bezogen auf die Leistungsfähigkeit bezüglich ihrer Schülerschaft. Diese Neigung führt dazu, dass das eigene pädagogische Handeln als wenig wirksam empfunden wird. Die Möglichkeit einer Überwindung dieser ungünstigen Kausalität ist im Kontext einer durch Daten gestützten transformationalen Führung bis dato kaum in den Blick genommen, geschweige denn systematisch aufgearbeitet worden. Auf eine eingehende Untersuchung wartet ebenfalls das Phänomen, dass Überzeugungen von Lehrkräften darüber entscheiden, ob und wie auf Daten bei der Unterrichts- und Schulentwicklung zurückgegriffen wird. Genauere Erkenntnisse darüber treffen in der empirischen Schulforschung der Autorin zufolge auf Neugier, da Untersuchungen bestätigen, dass Schulleitungen erfolgreicher SsdL die Nutzung extern generierter Daten tendenziell mehr unterstützen als es bei Schulleitungen von weniger erfolgreichen SsdL der Fall ist. Hier liegt der Ansatzpunkt ihrer Untersuchung.

Die Autorin greift bei ihrer „exemplarischen Deskription“ (S. 32) auf Daten zurück, die an insgesamt sechs Schulen in den USA erhoben wurden. Verortet ist die Untersuchung als von der Autorin benannte Vertiefungsstudie im Rahmen des DFG-Projekts „Leadership und Schulentwicklung im Kontext“. Empirische Grundlage der Vertiefungsstudie sind Daten aus insgesamt sechs Middle Schools, von denen zwei zum Zeitpunkt der Datenerhebung auf positive Schulentwicklungsprozesse in den Bereichen Lernleistungen, Schulklima und/oder Organisation zurückblickten. Ergänzt wurde diese Stichprobe um eine Middle School, die in der Zeit bis zur Datenerhebung nur durchschnittlich erfolgreich war. Berücksichtigt für die beschriebenen Befunde wurden von der Autorin jedoch nur die Ergebnisse zu zwei der überdurchschnittlich erfolgreichen Schulen.

Beide US-amerikanische Schulen wurden zur Durchführung leitfadengestützter Probleminterviews sowie für Gruppendiskussionen und Beobachtung des Führungshandelns für ein bis zwei Wochen besucht. Mit retrospektiver Schwerpunktsetzung in den Fragen wurden in beiden Schulen jeweils sechs Lehrkräfte (allesamt mit formaler oder informeller Führungsrolle), die Schulleitung und stellvertretende Schulleitung sowie je eine Vertretung aus dem Schulbezirk befragt. Die Interviewdaten wurden transkribiert, die Beobachtungen mittels Feldnotizen dokumentiert. Die transkribierten Interviewinhalte wurden mithilfe von MaxQDA entlang eines deduktiv entwickelten Kategoriensystems codiert, welches folgende Hauptcodes beinhaltete (nach Klein 2018, S. 35):

  • Datengenerierung und Nutzung durch den Schulbezirk
  • Externe Evaluation (z.B. Druck durch externe Evaluation)
  • Datenbezogene Organisationsstrukturen (z.B. Vorgaben für die Lehrerkooperation mit Daten; Formen und Funktionen von Teacher Leaders bei der Datennutzung)
  • Generierung von Daten für Schulentwicklung (z.B. Unterrichtshospitation für Unterrichtsentwicklung; Diagnostik von Schülerleistungen)
  • Generierung und Nutzung von Daten für interne Rechenschaft (z.B. informelle Unterrichtsbesuche zur Bewertung/Kontrolle; Konsequenzen)
  • Führungsstrategien ohne Rechenschaft (z.B. Nutzung von Daten als Signal nach innen; Kommunikation der mit Daten verbundenen Ziele und Strategien)

In einem nächsten Schritt erfolgte eine kategorienbezogene Paraphrasierung der jeweiligen Inhalte, denen zugleich die verschiedenen Akteure der beiden US-amerikanischen SsdL gegenübergestellt wurden. Abschließend stand die Prüfung an, welche der ermittelten Führungspraktiken sich welchen Kategorien der transformationalen Führung zuordnen ließen. Zur Güte der Auswertung wird keine Aussage getroffen.

Mit Blick auf die ersten beiden Forschungsfragen stellt die Autorin zwei Modi von Führungshandeln an den untersuchten Schulen fest: Zum einen wird auf Daten zur strategischen Beeinflussung von Überzeugungen zurückgegriffen. Hierbei steht die Verbesserung von Unterricht im Vordergrund. Folglich führen negative Befunde seitens der Lehrkräfte nicht zu Sanktionen, sondern zur Entwicklung von Unterstützungsangeboten. Ferner erhöhen die Daten die Selbstwirksamkeitserwartung der Lehrkräfte, indem durch die gewonnenen Daten transparent wird, dass LehrerInnenhandeln Auswirkungen auf Lernleistungen hat. In Schule A beeinflussen zudem intern erhobene Leistungsdaten die Zusammenstellung von Klassen. Dies macht spätere Vergleiche zwischen den Lerngruppen valider. Darüber hinaus erleichtern die erhobenen Daten die Standort- und Zielbestimmung. In Schule B erfolgt die Nutzung von mehrheitlich intern erhobenen Daten außerdem, um jenen Lernenden gezielt die Unterstützung zu geben, die diese noch benötigen (z.B. Wiederholungsmodule zu noch nicht beherrschten Unterrichtsinhalten).

Die Schulleitungen beider SsdL greifen zudem auf Strategien zur Unterstützung der Datennutzung zurück. Dies erfolgt durch regelmäßige Assessments, die anschließend von den Lehrkräften kooperativ besprochen werden. Weitere an die Datennutzung gekoppelte Zielvorstellungen variieren aber zwischen beiden SsdL: Während die Leitung von Schule A die Professionalität der Lehrkräfte fördern möchte, versucht die Leitung von Schule B die Leistungen der Lernenden zu erhöhen. In Schule A werden hierfür täglich einstündige Data-Meetings der Lehrkräfte in professionellen Lerngemeinschaften abgehalten. In diesen Zusammenkünften erfolgt die Auswertung und Interpretation der Daten, um daraus verbesserte Handlungsmöglichkeiten abzuleiten. In Schule B sollen Lehrkräfte kooperativ in einem iterativen Prozess aus den Daten Veränderungen für ihre Unterrichtspraxis ableiten, um die Lernleistungen zu erhöhen. Hierfür ist eine Stunde pro Kooperationsteam wöchentlich vorgesehen – allerdings greift die Schulleitung auf diese Wochenstunde ebenfalls für andere Fortbildungen zurück.

Neben den Strategien zur Beeinflussung von Überzeugungen und den Strategien zur Unterstützung der Datennutzung untersucht die Autorin mit Blick auf die dritte Forschungsfrage, ob die gefundenen Führungspraktiken an den untersuchten Schulen den theoretisch eingeführten Mustern der transformationalen Führung zugeordnet werden können. Hier gelangt die Autorin vor allem bezüglich Schule A deutlich zu der Einschätzung, dass diese Schule exemplarisch verdeutlicht, welche Relevanz Daten für einen an den Dimensionen der transformationalen Führung ausgerichteten Führungsstil besitzen. Die Autorin resümiert, dass Daten eine Professionalisierungsfunktion für die Lehrkräfte einnehmen. Das gilt insbesondere für Führungspraktiken wie das Einnehmen einer Vorbildfunktion, durch die Schaffung unterstützender Strukturen, durch praktizierte Anerkennung gegenüber Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern sowie einem Fokus auf Professionalität und schließlich einer vorhandenen Vision einer gerechten Schule. Die so praktizierte transformationale Führung entfaltet entsprechende Wirkung.

Hintergrund

Klein ordnet im Fazit ihren Artikel jenen Studien zu, die eine „Kultur der Machbarkeit“ und eine „Kultur des Vertrauens“ als Gelingensbedingung für die Datennutzung bestätigen. Dies belege insbesondere Schule A prototypisch. Zusätzlich liegt in Schule A ein Augenmerk darauf, lehrerseitig die Selbstwirksamkeitserwartungen durch datengestützte Perspektiverweiterungen hinsichtlich Lehr-Lernprozesse zu fördern.

Grundsätzlich ist die von der Autorin gewählte Fokussierung auf Schulen in sozial deprivierten Lagen mit ihren besonderen Herausforderungen, die datenbasiert erfolgreich Schul- und Unterrichtsentwicklung vor dem Hintergrund transformationaler Führung realisieren, begrüßenswert. Die Komplexität des Untersuchungsgegenstands steht hingegen in einem ungünstigen Verhältnis zum begrenzten Umfang des Artikels und noch mehr zu der geringen Datenmenge. Gleichwohl überzeugt die dreischrittige diskursive Herleitung der Forschungsfragen ausgehend von den Herausforderungen von Schulen in sozial deprivierten Lagen über die Notwendigkeit, Haltung zu reflektieren und zu ändern, was mithilfe professioneller Datennutzung gefördert wird und schließlich dem konkreten Ansatzpunkt der transformationalen Führung entspricht. Diese Herleitung wird plausibel mit der Rezeption bereits vorliegender Befunde unterfüttert.

Ein wenig unklar bleibt der Absatz der transformationalen Führung hinsichtlich seiner Einordnung: Handelt es sich hier um eine Heuristik, die auch (grundlagen-)theoretisch rückgebettet wurde? Hier kann der Leser kategoriale Beschreibungen eines spezifischen Führungsstils mitnehmen, nicht aber genaue theoretische Klärungen, was genau nun das transformative Moment eines solchen Führungshandelns ausmacht.

Design

Der Untersuchung gingen Befragungen von sechs Middle Schools voraus. Das empirische Fundament des Artikels bilden die Befunde aus zwei dieser sechs Schuluntersuchungen. Weder ist transparent, nach welchen Kriterien die sechs Schulen als Untersuchungsobjekte ausgewählt wurden, noch welche Aspekte die Auswahl der beiden Schulen bedingten, bzw. warum z.B. die weniger erfolgreiche Schule aus der Auswertung ausgeschlossen wurde. Eine genauere Beschreibung der beiden für den Artikel relevanten Middle Schools liefert die Autorin nicht, begrenzt sich hier im Wesentlichen nur auf die Schulleitungen. Das ist bedauerlich, weil so nicht nachvollzogen werden kann, ob neben der Kombination aus transformationaler Führung und geförderter sowie geforderter Datennutzung weitere Faktoren die erfolgreiche Schulentwicklung begünstigen. In diesem Zusammenhang bleibt die Frage gänzlich offen, worin konkret Erfolge bei den Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozessen an beiden Schulen bestehen. Hier ergeben sich somit mindestens Implikationen für weitere Forschung.

Im Sample angelegt waren auch Interviews mit Bezirksvertretungen. Unklar ist, warum und wozu diese befragt wurden. Das so zwar multiperspektivisch angelegte Design spiegelt sich auch nicht in der Ergebnisdarstellung wider, in welcher die verschiedenen Akteursperspektiven nicht vergleichend betrachtet wurden (Lehrkräfte, Schulleitungen, Bezirksvertretungen).

Problembewusst weist die Autorin darauf hin, dass es bei der Durchführung der leitfadengestützten problemzentrierten Einzelinterviews keine zentrale Rolle spielte, wie die Schulleitungen der befragten SsdL mit Daten im Kontext von Schulentwicklungsprozessen umgehen. Da sich dieses spezifische Forschungsinteresse erst nach den Datenerhebungen herauskristallisierte, wurde in den Einzelinterviews nicht gezielt danach gefragt. Nur wenn Interviewte die Datennutzung zum Zweck der Schulentwicklung als relevant erachteten, thematisierten diese sie. Gerade weil die Einzelinterviews den Aspekt der Datennutzung nicht zum Gegenstand hatten, sind die Befunde zu einem gewissen Grad äußerst zufällig, und es bleibt offen, inwiefern eine gezielte Frage zur Datennutzung andere Ergebnisse zu Tage gefördert hätte. Auch in diesem Zusammenhang würde es die Transparenz erhöhen, die thematischen Schwerpunkte der Interviews ebenso vorgestellt zu bekommen, wie es im Fall der gebildeten Auswertungskategorien lobenswert erfolgt.

Schließlich bleibt kritisch festzustellen, dass bezüglich der Güte der Auswertung keine Aussage getroffen wurde, etwa ob die Intercoderreliabilität berechnet wurde bzw. wie sie ausfiel.

Ergebnisse

Die vorgelegten Befunde lassen, wie die Autorin treffend bemerkt, keine kausalen Schlüsse zwischen transformationalem Führungsstil der Schulleitungen, der Datennutzung im Kollegium und den Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozessen an SsdL zu. Gleichwohl liefert der Beitrag eine empirische Veranschaulichung von Führungspraktiken, die das Konzept der transformationalen Führung praktisch greifbar machen. Die Stärke des Beitrags gründet somit in seiner explorativ geleiteten Darstellung, wie Daten zur Optimierung von Lehr-Lernprozessen in erfolgreichen SsdL herangezogen werden. Besonders die Abkehr von einer mehrheitlich defizitorientierten Perspektive schulischer Akteure infolge einer Analyse intern und extern erhobener Daten darf für die Rezipienten des Artikels als anregend gelten. Diesen Bonus relativiert jedoch der Umstand, dass die betrachteten US-amerikanischen Schulen im Umgang mit den Daten auf andere zeitliche, personelle und materielle Ressourcen zurückgreifen können, die deutschen Schulen nicht zur Verfügung stehen, so dass im Vergleich von Schulsystemen hier Einschränkungen in der Übertragbarkeit liegen. Darüber hinaus sollte sich zumindest bei jenen Rezipienten des Artikels Enttäuschung einstellen, welche ausgehend von der Formulierung der drei Forschungsfragen eine größere Datenbreite erwartet hätten als sie die Studie vorhält.

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nrw-wappenAus der Reihe "Beiträge zur Schulentwicklung"

Diese Rezension wurde erstellt von:
Dr. Holger Braune, Schulleiter an der Freien Christlichen Gesamtschule Düsseldorf

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