Fragestellungen der Studie:
Rezension zur Studie
Willems, A. S. & Holtappels, H. G. (2014). Pädagogische Prozessqualität an Ganztagsschulen: Ausgewählte Befunde des bundesweiten StEG-Bildungsmonitoring 2012 zu Zielen und Konzepten von Ganztagsgrund- und Sekundarstufenschulen. In K. Drossel, R. Strietholt & W. Bos (Hrsg.), Empirische Bildungsforschung und evidenzbasierte Reformen im Bildungswesen (S. 327–348). Münster, New York: Waxmann.FIS BildungIm Rahmen der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) wurden Schulleitungen dazu befragt, welche Ziele in ihrem Ganztagskonzept verankert sind und inwieweit an ihrer Schule Möglichkeiten einer flexiblen Zeitstrukturierung sowie eine Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten umgesetzt werden.
Zudem wurde geprüft, ob dabei Unterschiede in Abhängigkeit der Schulform, der Organisationsform des Ganztags und der Ganztagsschulerfahrung bestehen. Es zeigt sich, dass Ganztagsschulen in ihren Konzepten insgesamt eher soziale Aspekte und Fragen der Betreuung als bildungsbezogene Zielsetzungen fokussieren. Zudem stehen Unterricht am Vormittag und Angebote am Nachmittag nach wie vor an vielen Schulen unverbunden nebeneinander, was entsprechend in einer wenig ausgeprägten inhaltlichen Verzahnung beider Bereiche resultiert.
An Schulen, die bildungsbezogene Zielsetzungen in ihren Konzepten verankert haben, ist die Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten stärker ausgeprägt. Im Schulformvergleich zeigt sich u.a., dass Grundschulen seltener als Gymnasien das Ziel der Kompetenzförderung verfolgen. Schulen, die bereits auf eine längere Ganztagsschulerfahrung zurückblicken, fokussieren (zum Teil nur in bestimmten Schulformen) eher bildungsbezogene Ziele und setzen häufiger einzelne Verzahnungselemente um. Schulen mit einer verbindlichen Ganztagsteilnahme für alle Schülerinnen und Schüler verankern in ihren Konzepten häufiger bildungsbezogene Ziele. Zudem setzen sie häufiger Möglichkeiten einer flexiblen Zeitstrukturierung sowie einer Verzahnung zwischen Unterricht und Angeboten um. Die Autorin und der Autor sehen hierin zentrale Ansatzpunkte, um das mit dem Ganztagsausbau verbundene Ziel einer verbesserten individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler erreichen zu können. Aufgrund der Repräsentativität der Daten sind die Befunde für die bundesweite Ganztagsschulentwicklung von hoher Aussagekraft und Relevanz.
Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.
Reflexionsfragen einer Schulleitung, deren Schule ihren Ganztag weiterentwickeln möchte:
Der flächendeckende Ganztagsschulausbau wurde infolge des schlechten Abschneidens deutscher Schülerinnen und Schüler bei der ersten PISA-Erhebung zu einem zentralen Reformvorhaben im deutschen Bildungssystem. Damit verbunden waren und sind vielfältige Zielsetzungen und Wirkungserwartungen. Neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen dabei eine verbesserte individuelle, fachliche und überfachliche Kompetenzförderung sowie der Abbau sozialer Ungleichheiten im Mittelpunkt.
In der Ganztagsschule wird die Chance gesehen, u.a. durch Veränderungen im Personaleinsatz, in der Zeitstrukturierung und bei der Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten bessere Förder- und Lernmöglichkeiten realisieren zu können.
Die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) begleitet seit 2005 den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen in Deutschland. Im Jahr 2012 wurde im Rahmen eines bundesweiten Bildungsmonitorings eine repräsentative Befragung von 1.292 Schulleitungen an Ganztagsschulen durchgeführt, um angesichts des rasanten Ganztagsschulausbaus aktuelle Erkenntnisse über die Organisation und Gestaltung von Ganztagsschulen zu erhalten.
Im Fokus stehen in der vorliegenden Untersuchung Aspekte, die Auskunft über die erreichte Gestaltungs- und Prozessqualität an Ganztagsschulen liefern. Den theoretischen Hintergrund bildet das von Holtappels (2009) entwickelte und von Willems und Becker (2015) überarbeitete Modell zur Beschreibung der Qualität und Wirkung von Ganztagsschulen, das auf zentralen Annahmen der Schulqualitäts- und -effektivitätsforschung (Ditton, 2000; Scheerens, 1990) basiert und um ganztagsspezifische Merkmale erweitert wurde. Das Qualitätsmodell setzt sich aus Kontext- und Inputfaktoren (Rahmenbedingungen, Steuerungsqualität), Gestaltungs- und Prozessmerkmalen (Aktivitäten auf Unterrichts- und Einzelschulebene) sowie intendierten Ergebnissen und Wirkungen zusammen. Zentrale Merkmale auf Ebene der Gestaltungs- und Prozessqualität von Ganztagsschulen werden u.a. in bildungsbezogenen Zielvorstellungen und orientierungen zum schulischen Lernen, in der konzeptuellen Verzahnung von außerunterrichtlichen Angeboten und Unterricht sowie in der Nutzung flexibler, erweiterter Zeitstrukturierungs- und Rhythmisierungsmöglichkeiten gesehen. Mit Blick auf den Forschungsstand zeigten sich hier in der Vergangenheit noch deutliche Entwicklungsbedarfe an Ganztagsschulen.
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es daher, aktuelle Erkenntnisse über die oben genannten Prozessmerkmale zu liefern, woraus die Autoren folgende Forschungsfragen ableiten:
Die Analysen sollen zudem Aufschluss darüber geben,
Die Analysen basieren auf Daten einer bundesweiten Schulleitungsbefragung, die 2012 im Rahmen der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) mittels eines Online-Fragebogens durchgeführt wurde. Aus der Grundgesamtheit (= alle öffentlichen Ganztagsschulen in Deutschland) wurden für alle Bundesländer jeweils repräsentative Stichproben für drei Schulgruppen gezogen: (1.) Primarstufe, (2.) Sekundarstufe I ohne Gymnasien und (3.) Gymnasien. Es liegen insgesamt verwertbare Angaben von n = 1.292 Schulleitungen vor, was einer Ausschöpfungsquote von 69 % entspricht. Bei der Auswertung wurden die Daten so gewichtet, dass die Repräsentativität für die drei Schulgruppen sowie für die einzelnen Bundesländer weiterhin gegeben ist. Im vorliegenden Bericht beschränkt sich die Ergebnisdarstellung allerdings auf die Bundesebene.
Zur Erfassung der o. g. Ziele konnten die befragten Schulleitungen auf einer vierstufigen Skala angeben, inwieweit verschiedene Zieldimensionen (Erweiterung der Lernkultur (1), Kompetenzorientierung und Begabungsförderung (2), Gemeinschaft, soziales Lernen und Persönlichkeitsentwicklung (3) und Betreuung und Schulöffnung (4)) im Ganztagskonzept ihrer Schule verankert sind. Zur konzeptuellen Verzahnung von außerunterrichtlichen Angeboten und Unterricht wurden sechs Items eingesetzt, die inhaltlich-curriculare, didaktisch-methodische sowie pädagogische Aspekte der Verzahnung abbilden. Die Schulleitungen konnten ebenfalls auf einer vierstufigen Skala angeben, inwieweit diese Aspekte an der eigenen Schule umgesetzt werden. Die Nutzung flexibler Zeitorganisationsmöglichkeiten wurde dichotom abgefragt (d. h. ja/nein bzw. vorhanden/nicht vorhanden).
Für die Überprüfung von Unterschieden zwischen den Schulen je nach Organisationsform des Ganztags wurden drei Gruppen gebildet: (1.) Schulen, die für alle Schülerinnen und Schüler eine freiwillige Teilnahme anbieten, (2.) Schulen, die eine verbindliche Teilnahme für einen Teil der Schülerinnen und Schüler vorsehen und (3.) Schulen, die eine verbindliche Teilnahme für alle Schülerinnen und Schüler umsetzen. Mit Blick auf die Ganztagsschulerfahrung wurde zudem zwischen Schulen unterschieden, die (1.) seit 2002 oder länger ganztägig organisiert sind, (2.) die zwischen 2003 und 2007 den Ganztagsbetrieb aufgenommen haben und (3.) die seit 2008 Ganztagsschulen sind.
Es erfolgte eine deskriptive Datenauswertung in Form von prozentualen Häufigkeitsverteilungen. Zur Überprüfung von statistischen Zusammenhängen zwischen den untersuchten Zieldimensionen wurde zudem eine bivariate Korrelationsanalyse durchgeführt.
Über alle Schulgruppen hinweg sind die Ziele „Gemeinschaft, soziales Lernen und Persönlichkeitsentwicklung“ sowie „Betreuung und Schulöffnung“ häufiger in den Ganztagskonzepten verankert als bildungsbezogene Ziele wie „Kompetenzorientierung“ und „Erweiterung der Lernkultur“. Angesicht der mit dem Ganztagsausbau verbundenen bildungspolitischen und pädagogischen Erwartungen und Zielsetzungen ergibt sich nach Einschätzung der Autorin und des Autors daraus ein dringender Entwicklungsbedarf.
Aus den Befunden der Korrelationsanalyse geht weiterhin hervor, dass Zusammenhänge zwischen den vier untersuchten Zieldimensionen bestehen, was laut der Forscher darauf hindeutet, dass pädagogische Zielsetzungen nicht isoliert voneinander in Konzepten verankert werden. So korrelieren vor allem die Ziele „Erweiterung der Lernkultur“ und „Kompetenzorientierung und Begabungsorientierung“. Auch die Dimensionen „Erweiterung der Lernkultur“ und „Gemeinschaft, soziales Lernen und Persönlichkeitsentwicklung“ weisen einen starken Zusammenhang auf.
Bei der Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten sowie bei der Flexibilisierung der Zeitorganisation zeigt sich, dass einzelne Elemente zwar bereits von vielen Schulen umgesetzt werden, insbesondere aber bei der Verteilung von Unterricht und Angeboten über den gesamten Schultag noch Entwicklungsbedarfe bestehen. Stehen Unterricht am Vormittag und Angebote am Nachmittag unverbunden nebeneinander, wie es an vielen Schulen der Fall ist, resultiert dies entsprechend auch in einer wenig ausgeprägten inhaltlichen Verzahnung beider Bereiche. Unter Verweis auf Willems und Glesemann (2015) weisen die Autorin und der Autor darauf hin, dass „die Entwicklung eines kohärenten Lernangebots sowie die optimale Nutzung und Strukturierung der zur Verfügung stehenden Lernzeit […] als Schlüssel zu einer möglichst optimalen individuellen Förderung von Schüler/-innen angesehen werden [können]“. Die Autorin und der Autor schlussfolgern, dass diese Aspekte daher stärker betont werden sollten, wenn durch die Nutzung ganztagsschulischer Angebote Wirkungen auf das Lernen und die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler erzielt werden sollen.
Im Schulformvergleich zeigt sich u. a., dass Grundschulen deutlich seltener als Gymnasien das Ziel der Kompetenzförderung verfolgen. Weiterführende Schulen verlegen häufiger Unterrichtsstunden in den Nachmittag, was aus Sicht der Forscher jedoch eher auf eine erhöhte Stundentafel als auf eine gezielte Rhythmisierung zurückzuführen ist. Die vorliegenden Befunde belegen weiterhin, dass Schulen mit einer verbindlichen Ganztagsteilnahme für alle Schülerinnen und Schüler häufiger Möglichkeiten einer flexiblen Zeitstrukturierung sowie einer Verzahnung zwischen Unterricht und Angeboten umsetzen. Zudem fokussieren sie in ihren Ganztagskonzepten stärker die Kompetenz- und Begabungsförderung der Schülerinnen und Schüler sowie die Erweiterung der Lernkultur. Auch Schulen, die bereits auf eine längere Ganztagsschulerfahrung zurückblicken, verfolgen (zum Teil nur in bestimmten Schulformen) eher bildungsbezogene Ziele und setzen häufiger einzelne Verzahnungselemente um. Einschränkend merken die Autorin und der Autor hier allerdings an, dass dabei keine Aussagen über tatsächlich erfolgte Entwicklungsmaßnahmen an den schon länger bestehenden Schulen getroffen werden können.
Zudem geben sie zu bedenken, dass für die Umsetzung von Konzepten u. a. Merkmale wie die innerschulische Kooperation, die Innovationsbereitschaft im Kollegium sowie das soziale Klima an einer Schule von Bedeutung sind, was in weiterführenden Analysen zu berücksichtigen ist.
Da zu den untersuchten Forschungsfragen aus einer früheren Schulleitungsbefragung von 2009 bereits Befunde vorliegen, greift die Studie kein Forschungsdesiderat auf; vielmehr geht es darum, aktuelle Informationen zu zentralen Gestaltungselementen von Ganztagsschulen zu erhalten, die sich als bedeutsam für die Qualitätsentwicklung erwiesen haben und bei denen in der Vergangenheit noch Entwicklungsbedarfe festgestellt wurden. Angesichts des rasch voranschreitenden Ganztagsschulausbaus erscheint dies legitim und wichtig, um aktuelle Erkenntnisse zum qualitativen Entwicklungsstand und zu weiteren Entwicklungsbedarfen zu erhalten.
Durch den Untersuchungsfokus auf ausgewählte Gestaltungselemente, die für die Prozess- und Ausbauqualität von Ganztagsschulen als zentral angesehen werden, lassen sich die Analysen im vorliegenden Beitrag vor allem der Schulqualitätsforschung sowie der Ganztagsschulforschung zuordnen.
Zur Überprüfung von Unterschieden nach Schulform, Organisationsform des Ganztags und Ganztagsschulerfahrung werden zudem Struktur- und Kontextfaktoren berücksichtigt, die für die Einordnung der Befunde und mit Blick auf die weitere Ganztagsschulentwicklung wichtige Hinweise liefern können.
Die Ergebnisqualität und Fragen der Schuleffektivität sind nicht explizit Gegenstand der Forschungsfragen und Analysen, obschon bei der Diskussion der Befunde darauf eingegangen wird. Insgesamt erscheint die theoretische Fundierung der vorgestellten Analysen schlüssig und sinnvoll. Andere Forschungsarbeiten werden bei der Darstellung des Forschungsstands berücksichtigt, wobei es sich hierbei hauptsächlich um Befunde aus früheren Erhebungen der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen handelt.
Die Stichprobenziehung und die Instrumente der Studie sind umfassend und nachvollziehbar dargestellt. Durch die Ergebnisaufbereitung im Text sowie in Form von Balkendiagrammen erhält der Leser einen guten Überblick über alle erhobenen Items. Abgesehen von Informationen zur Gewichtung der Daten wird auf weitere Angaben zur Datenaufbereitung verzichtet, was für das Verständnis der Befunde jedoch nicht von Nachteil ist.
Die Datenerhebung und -auswertung erfüllt – soweit dies anhand des Beitrags zu beurteilen ist – die zentralen Gütekriterien wissenschaftlicher Untersuchungen. Da die eingesetzten Instrumente bereits in früheren Erhebungen zum Einsatz kamen, kann davon ausgegangen werden, dass sie sich als valide und reliabel erwiesen haben. Dazu wird allerdings keine Aussage getroffen.
Mit den erhobenen Kontextvariablen (Schulform, Organisationsform des Ganztags, Ganztagsschulerfahrung) berücksichtigen die Forscher zentrale Faktoren, die für eine differenzierte Einordnung der Befunde von Bedeutung sind. Es wären jedoch weitere Informationen und Analysen notwendig, um Schlussfolgerungen bzgl. konkreter förderlicher und beeinflussbarer Faktoren ziehen zu können. Darauf gehen die Autorin und der Autor im Ergebnisteil ein.
Durch die Repräsentativität der Stichprobe für alle Bundesländer und verschiedene Schulgruppen besitzen die Daten eine hohe Aussagekraft und eine große Bedeutung für die bundesweite Ganztagsschulentwicklung. Spezifischen Besonderheiten in einzelnen Bundesländern finden dabei allerdings nur bedingt Berücksichtigung.
Die Forschungsfragen der vorliegenden Untersuchung konnten anhand der durchgeführten Befragungen und Analysen vollständig beantwortet werden. Dabei wurden keine Hypothesen hinsichtlich der Ergebnisse aufgestellt. Inwieweit sich Veränderungen im Vergleich zu früheren Erhebungen der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen ergeben haben, wird bei der Ergebnisbeschreibung nur vage thematisiert: Es werden „ähnliche“ bzw. „nach wie vor bestehende“ Entwicklungsbedarfe konstatiert, ohne genauer einzelne Befunde aus den jeweiligen Erhebungsjahren miteinander zu vergleichen. Dies ist möglicherweise auf unterschiedliche Stichproben sowie etwaige Veränderungen in den konkreten Fragestellungen zurückzuführen, wird jedoch nicht näher erläutert.
Die vorliegende Untersuchung liefert somit keine gänzlich neuen, aber aktuelle und für Deutschland repräsentative Befunde, die insbesondere für die Bildungspolitik aber auch für Schulpraxis und Unterstützungssysteme wichtige Hinweise gibt. Insbesondere die neuerliche Bestätigung, dass an Ganztagsschulen mit einer verbindlichen Ganztagsteilnahme für alle Schülerinnen und Schüler eher bildungsbezogene Ziele fokussiert und bestimmte Gestaltungselemente häufiger genutzt werden, ist hierbei hervorzuheben. Die Annahme der Forscher, dass diese strukturellen und organisatorischen Ausgangsbedingungen auch für eine individuelle Förderung von Schülerinnen und Schüler von Vorteil sind, erscheint zwar schlüssig, ist jedoch bisher nicht belegt. Aufgrund der großen Heterogenität bei der bundesweiten Umsetzung ganztagsschulischer Angebote sollten zukünftige Forschungen nach Einschätzung der Autoren daher gezielt die Wirkungen unterschiedlicher Formen ganztagsschulischer Bildung untersuchen. Hier sind aus Sicht der Rezensentin Vorteile bei bundeslandspezifischen Untersuchungen zu sehen, in denen die jeweiligen Rahmenbedingungen und Organisationsformen des Ganztags stärker berücksichtigt werden können.
Dass die Ganztagsschulerfahrung nur in einzelnen Bereichen und zum Teil nur an bestimmten Schulformen mit der Umsetzung der untersuchten Gestaltungsbereiche zusammenhängt, deutet darauf hin, dass hier andere Einflussfaktoren maßgeblich sind. In weitergehenden Analysen sollte daher näher untersucht werden, welche Faktoren wichtig und förderlich sind, um eine Verzahnung von Unterricht und Angeboten umzusetzen oder Veränderungen in der Zeitorganisation vorzunehmen. Die Autorin und der Autor sehen auf Grundlage bisheriger empirischer Erkenntnisse hier vor allem Merkmale der Organisationskultur als zentral an, darunter die Intensität und Qualität der innerschulischen Kooperation, die Innovationsbereitschaft des Kollegiums und das soziale Klima an der Schule. Hier sind entsprechend auch wichtige Ansatzpunkte für Beratungs- und Unterstützungssysteme zu sehen, um Schulen bei diesen Aufgaben zu unterstützen. Eine zentrale Rolle kommt dabei zudem Schulleitungen und Mitgliedern der erweiterten Schulleitung zu, die z. B. Kooperationsstrukturen schaffen und weiterentwickeln können.
Ebenso sind die administrativen Unterstützungssysteme gefordert, entsprechende Ressourcen und Fortbildungsangebote bereitzustellen. Die durch die vorliegende Untersuchung aufgezeigten Entwicklungsbedarfe, die auch mehr als zehn Jahre nach Beginn des breit angelegten Ganztagsschulausbaus in Deutschland immer noch bestehen, machen vor allem eines deutlich: Mit dem Ganztagsschulausbau verbundene Ansprüche und Erwartungen wie die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler und die Reduzierung von Bildungsungleichheiten können nur dann erfüllt werden, wenn notwendige Schulentwicklungsprozesse an Schulen initiiert und unterstützt werden und dies auch entsprechend gefördert wird.
Kultusministerium BW
Institut für Bildungsanalysen (IBBW)
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung - ISB
Bildungsserver MV
Online-Unterstützungsportal zum Referenzrahmen Schulqualität NRW
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