Fragestellungen der Studie:

  • Welche Entwicklungsphasen einer "Karriere" durchlaufen das kommunale Bildungsmonitoring und die damit betrauten Lernen-vor-Ort-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
  • Welche Faktoren fördern und hemmen die Umsetzung eines kommunalen Bildungsmonitorings?

Rezension zur Studie

Opper, M. K. (2016). Zur Karriere des Bildungsmonitorings in „Lernen vor Ort“. In Arbeitsgruppe „Lernen vor Ort“ (Hrsg.), Kommunales Bildungsmanagement als sozialer Prozess. Studien zu „Lernen vor Ort“ (S. 111–138). Wiesbaden: Springer VS.

Die Fallstudie greift den aktuellen Diskurs zum bildungspolitischen Programm von Bildungsregionen auf und beschäftigt sich dabei insbesondere mit der Umsetzung eines kommunalen Bildungsmonitorings. Auf Basis von Interviewdaten werden einerseits verschiedene Entwicklungsphasen identifiziert, die die dafür zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Erstellung eines kommunalen Bildungsberichts durchlaufen haben.

Demnach entwickelten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zeitverlauf von ungeliebten Neulingen zu begehrten Experten. Andererseits arbeitet die Studie förderliche und hemmende Faktoren für die Umsetzung aus. So zeigt die Studie etwa, dass insbesondere eine vertrauensvolle Netzwerkarbeit mit den verschiedenen Verwaltungsressorts sowie die Vorstellung des Bildungsberichts in der Bildungskonferenz zur Akzeptanz und zum Erfolg des Bildungsmonitorings beigetragen haben. Demgegenüber wurde die Umsetzung eines Bildungsberichts etwa durch die unterschiedliche Qualität der Daten der einzelnen Verwaltungsämter erschwert.

Obwohl sich die Untersuchung lediglich auf Interviews mit vier Personen aus zwei Kommunen stützt, ist sie aufgrund ihres Erkenntnisgewinns und insbesondere durch ihre aufschlussreichen Daten in dem bisher wissenschaftlich eher wenig ausgeleuchteten Themenfeld hervorzuheben. Auf Basis der Ergebnisse sind eine differenziertere Diskussion zum Stellenwert eines kommunalen Bildungsmonitorings und -managements in der kommunalen Verwaltung sowie eine Ableitung von vielfältigen Anknüpfungspunkten für zukünftige Forschung möglich. Allerdings muss aufgrund einer fehlenden ausführlichen Schilderung der methodischen Umsetzung zu einem kritischen Lesen der Ergebnisse geraten werden.

Die Studie von Opper (2016) untersucht die Entwicklung und Umsetzung eines kommunalen Bildungsmonitorings in zwei Kommunen, die am Bundesprogramm Lernen vor Ort (LvO)* teilnahmen. Die Autorin greift dabei die zentrale programmatische Annahme von LvO auf, dass ein ressortübergreifendes Bildungsmonitoring in Form von Bildungsberichten zu einer Modernisierung der öffentlichen Verwaltung beiträgt. Indem sich in ihren Zuständigkeiten tendenziell eher unverbundene Ämter und Bereiche der kommunalen Verwaltung auf Basis einer gemeinsamen Informationsbasis in Bildungsfragen stärker aufeinander beziehen und abstimmen (müssen), sollen ganzheitliche und datenbasierte Konzepte zur lokalen Gestaltung von Bildungsprozessen entstehen. Welche Entwicklungsphasen bei der Umsetzung eines Bildungsmonitorings zu beobachten und welche förderlichen und hemmenden Faktoren dabei auszumachen sind, nimmt die Studie konkret in den Blick.

Zur Bearbeitung der Fragestellungen greift Opper auf die Denkfigur der Karriere zurück und bezieht sie sowohl auf die für die Umsetzung eines Bildungsmonitorings neu eingestellten kommunalen LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch auf die LvO-Programmatik selbst (vgl. Kap. 2). Karriere versteht sie als erfolgreiche Etablierung von Individuen und Programmen, die hierzu verschiedene, sich gegenseitig beeinflussende Entwicklungsphasen durchlaufen. Für die Analyse der individuellen Entwicklungsphasen unterscheidet die Autorin zwischen einer strukturellen und einer persönlichen Dimension (vgl. Kap. 3). Sie nimmt an, dass die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihrer Einbettung in vorherrschende, institutionelle Strukturen und Akteurskonstellationen nicht selbstständig Handeln und Entscheiden können. Strukturen und Interdependenzen bestimmen demnach darüber, ob und wie LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Bildungsmonitoring umsetzen und „Karriere machen“ (Opper, 2016, S. 112).

Weiterhin nimmt Opper an, dass die Entwicklung der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Bildungsmonitoringansatz im Sinne des LvO-Programms zusammenhängt. Auf Basis dieses Kunstgriffes schlussfolgert sie, dass die Figur der Karriere gleichzeitig als heuristisches Modell zur Analyse der strukturellen Etablierung der LvO-Programmatik in der Verwaltung geeignet ist.

*www.lernen-vor-ort.info

Grundlage der Studie bilden narrative Interviews mit vier LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus zwei Kommunen, worunter sich ein Landkreis befindet. Informationen darüber, wie viele Interviews konkret in die Analyse eingingen und wann diese stattfanden, werden nicht gegeben. Die transkribierten Interviews wurden mit Hilfe des offenen Kodierens nach der Grounded-Theory ausgewertet. Die Autorin gibt an, dass nach einer Sichtung und ersten Kodierung der Interviewprotokolle die Kodes zu übergeordneten Kategorien verdichtet wurden. Dieses induktive Verfahren soll dazu dienen, Hypothesen mit Blick auf Entwicklungsphasen eines Bildungsmonitorings zu entwickeln.

Im Ergebnisteil des Artikels wird zunächst auf Basis von exemplarischen Interviewstellen eine erste Beschreibung der Entwicklungsphasen gegeben (vgl. Kap. 5). In einem nächsten Schritt werden Spannungsfelder für die Karriere der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die LvO-Programmatik unterschieden (vgl. Kap. 6). Abschließend werden die Entwicklungsphasen sowie die Spannungsfelder mit dem Ziel einer theoretischen Verdichtung in Form eines Klassifikationsmodells aufeinander bezogen (vgl. Kap. 7).

Entwicklungsphasen: Die Entwicklungsphasen tragen die Bezeichnungen der ungeliebte Neuling, der Produktentwickler sowie der begehrte Experte. In dem Klassifikationsmodell wird zudem die Phase des begehrten Neulings theoretisch abgeleitet und zusätzlich eingeführt.
Die Bezeichnung der Phase des ungeliebten Neulings basiert auf den deutlich ablehnenden, skeptischen und zurückhaltenden Reaktionen, die das LvO-Programm und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Aufbau und Bewerben des Bildungsmonitorings sowie bei der Bitte um Datenzugang durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen Verwaltungsämter erfuhren. Die Autorin deutet die durch die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichtete (Selbst-)Zuschreibung als „unerwünschte Eindringlinge“ (Opper, 2016, S. 127) einerseits als Skepsis der Ämter gegenüber Veränderungsprozessen, andererseits als professionsbedingte und berufsbiografische Interaktionsprobleme zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und den jungen (LvO-)Wissenschaftlern.

Nachdem Kooperations- und Vernetzungsstrukturen aufgebaut waren, bezieht sich die zweite Phase insbesondere auf die Erstellung des Bildungsberichts. Die Autorin weist dieser Phase die Bezeichnung der Produktentwickler zu. Neben einer fehlenden Bereitschaft der Ämter, Daten zur Verfügung zu stellen, begegneten die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Herausforderung, dass zwischen den Ämtern keine einheitlichen Standards hinsichtlich der Berechnung, der Formate sowie der Qualität der Daten vorlagen. Vor diesem Hintergrund mussten die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum einen Daten mühsam zusammentragen und sehr arbeitsaufwendig auf die eigenen Bedürfnisse adaptieren und zum anderen Qualitätsstandards in der Datenerhebung definieren, um die zukünftige Datenqualität zu sichern.

Eng verknüpft mit dem Aufstieg der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum begehrten Experten war das Vorstellen des Bildungsberichts, etwa auf der Bildungskonferenz, wo neben Ergebnissen und Prozessen des LvO-Programmes ebenfalls vergleichbare und ressortübergreifende Zahlen präsentiert wurden. Im Zuge dessen fand bei den Ämtern ein Öffnungsprozess statt, sodass die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Mehrwert des Monitorings nicht weiter „verkaufen“ mussten. Stattdessen wurden die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst von Vertretern der Kommunalverwaltung mit der Bitte angesprochen, sie beim Aufbau eines Monitorings zu unterstützen.

Förderliche und hemmende Faktoren: Im Rahmen der Beschreibung der Entwicklungsphasen sowie der Spannungsfelder verweist Opper auf verschiedene förderliche und hemmende Bedingungen für die Umsetzung eines Bildungsmonitorings.
Als förderlich können folgende Faktoren zusammengefasst werden:

  1. Durch die Aufklärungsarbeit über die Ziele und Umsetzungsstrategien des Bildungsmonitorings und des LvO-Programms initiierten die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Netzwerke mit relevanten Akteuren in den Ämtern. Die Netzwerke und die persönlichen Beziehungen zu den Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern ermöglichten den Zugang zu und den Austausch von Daten und Informationen. Dazu gehörte etwa zu erläutern, dass durch das Bildungsmonitoring die Ämter und ihre Zahlenpraxis nicht evaluiert werden sollen und es vielmehr gilt, gemeinsame Umsetzungsstrategien zu entwickeln und nicht vorgefertigte Lösungen zu installieren.
  2. Grundlage der Aufklärungs- und Vernetzungsarbeit war die Selbstvermarktung der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Dienstleister. Die erfolgversprechendste Strategie war dabei, deutlich zu machen, dass die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Ämtern umsonst eine Auswertung ihrer Daten zur Verfügung stellen und diese dann weniger Aufwand und Kosten haben. Dafür waren neben fachübergreifenden Kompetenzen und gewissen Persönlichkeitseigenschaften (Durchsetzungsvermögen, Überzeugungskraft, Verhandlungsgeschick) die stetige Aneignung von Sonderwissen zu Kooperations-, Datenaufbereitungs- und Analyseprozessen wichtige Voraussetzungen.
  3. Die Studie hebt weiterhin die Sicherbarmachung des Berichts als wichtigen Faktor für den Durchbruch der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie des Bildungsmonitorings hervor. Zum einen wurden die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Politik und die Öffentlichkeit als Gestalter des Bildungsmonitorings bekannt. Zum anderen, so die Deutung der Autorin, wurde der Nutzen von LvO sichtbar.


Analog dazu lassen sich folgende Faktoren als hemmend für die Umsetzung eines Bildungsmonitorings zusammenfassen:

  1. Die unterschiedlichen Berufsbiographien und Handlungsroutinen der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern sowie der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschwerten die Kooperation und Vernetzung.
  2. Zudem mussten die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen Misstrauen sowie Unwissen über die Ziele des Bildungsmonitorings und des LvO-Programmes ankämpfen.
  3. Die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten sich ihr Arbeits- und Aufgabenfeld zunächst einmal selbst erschließen, da es keinen „Anwendungsfaltplan“ (Opper, 2016, S. 129) für den Aufbau eines Bildungsmonitorings gab. Dazu gehörte auch die aufwendige Einarbeitung in die konzeptionelle und prozessuale „Geschichte“ der Daten.


Insgesamt deutet die Autorin die Karriere der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Erfolg eines kommunalen Bildungsmonitorings im Sinne der LvO-Programmatik. Sie weist jedoch auch darauf hin, dass das Bildungsmonitoring in den Kommunen einer ungewissen Zukunft entgegen sieht, da die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Ende der Projektlaufzeit nicht übernommen werden. Sie nimmt abschließend an, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kommunen, die gerade erst ein Bildungsmonitoring und -management aufbauen wollen, als begehrte Neulinge gehandelt werden.

Die Idee, dass bildungspolitische und -administrative Entscheidungen und Handlungen (stärker) von Daten und wissenschaftlicher Evidenz informiert und geleitet sein sollen, fand in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend Eingang in den Diskurs zur Qualitätsverbesserung des Schul- und Bildungswesens. Auf kommunaler Ebene war eine entscheidende Triebfeder dieser Idee das Bundesprogramm LvO, das zwischen 2009 und 2014 erst 40 und dann 35 Kommunen beim Aufbau und der Umsetzung eines kommunalen Bildungsmanagements und -monitorings förderte und unterstützte. Der Ideen- und Wissenstransfer des Programms in weitere kommunale Gebietskörperschaften erfolgt aktuell sowohl über bundesweit eingerichtete Transferagenturen* (vgl. etwa für Nordrhein-Westfalen das Institut für soziale Arbeit) als auch über das Nachfolgeprogramm "Bildung integriert".**

Für die Initiierung und Umsetzung eines kommunalen Bildungsmonitorings liegen aktuell bereits zahlreiche – insbesondere durch die wissenschaftliche Projektkoordination von LvO verfasste – Leitfäden und erste Erfahrungsberichte vor. Bildungsberichte werden in diesen als bedeutsamer Ausgangspunkt und wertvolle Wissensressource für den Aufbau und die Umsetzung von neuen Vernetzungs- und Managementstrukturen in der kommunalen (Bildungs-)Verwaltung dargestellt. Die Forschung zur Umsetzung und insbesondere zur Nutzung von Bildungsberichten durch Akteure der kommunalen Verwaltung und Politik steht bislang allerdings erst am Anfang (vgl. dazu etwa Hermstein & Manitius, 2015). Die Studie von Opper greift diese Forschungslücke auf.

Limitationen der Studie: Im Folgenden werde ich auf drei übergreifende designbedingte Einschränkungen der Studie hinweisen, die ein kritischer Leser beachten sollte.

1) Die Einführung eines Bildungsmonitorings aus der (Karriere-)Perspektive der dafür neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu betrachten, bietet eine spannungsreiche Innen-Außen-Beobachtung der Verwaltungsreform. Durch eine fehlende „Betriebsblindheit“ der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können bestehende Handlungsroutinen und Strukturen der Verwaltung im Umgang mit Daten analysiert werden.

Allerdings ist die in der Studie verwendete Lesart von Karriere stark positiv konnotiert und unterstellt eine Zielerreichung sowie eine fortschreitende, aufeinander aufbauende Entwicklung. Dadurch erschwert dieser Zugang einerseits die Analyse von alternierenden Entwicklungsprozessen, worauf Opper auch hinweist, andererseits aber auch von Momenten der Nichtentwicklung oder Stagnation. Zudem besteht die Gefahr eines Zirkelschlusses, indem die Karriere der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorschnell mit dem Erfolg des LvO-Programmes gleichgesetzt wird und vice versa. So ließe sich etwa zugespitzt fragen, ob eine ausbleibende oder stagnierende Karriere von LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Umfeld von „verfestigte[n] Verwaltungsstrukturen mit verfestigten, verbeamteten Auffassungen“ (Opper, 2016, S. 115, Zitat Person C, Kommune A 2011: 1ff.) auch als ein Scheitern der programmatischen Ideen von LvO zu interpretieren wäre. Hier stößt die Heuristik einer Karriere an ihre Grenzen. Sie vermag das komplexe Wechselspiel von individuellen, organisationalen und institutionellen Wandlungsprozessen nur bedingt einzufangen. Institutions- und strukturationstheoretische Ansätze würden hier eine höhere Trennschärfe bei der Analyse erlauben. In einem ersten Schritt wären dann die Handlungen der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als ein Angebot für eine „neue“ strukturbildende Handlungspraxis in den Kommunen zu fassen. Analytisch würde dann in einem zweiten Schritt die Frage in den Blick geraten, unter welchen individuellen, organisationalen und institutionellen Prämissen das Angebot kurz-, mittel- oder langfristig abgelehnt, aufgegriffen oder als Idee adaptiert wird.

2) Die Analyse der Interviews mit Hilfe des offenen Kodierens nach der Grounded-Theory erscheint für den explorativen und theoriegenierenden Zugang der Studie angemessen, insbesondere da die Studie „Neuland“ betritt. Allerdings werden nur wenige Informationen zur Auswahl der wenigen Kommunen und interviewten Personen, zum Interviewmaterial und zur konkreten Auswertung des Datenmaterials gegeben. Es fehlen insbesondere Informationen darüber, wie etwa das Interviewmaterial induktiv verdichtet und welchen Analyseschritten und Qualitätsstandards dabei gefolgt wurde. Dabei lässt gerade das Spannungsfeld zwischen einem induktiven Vorgehen und einem deduktiven Orientierungsrahmen einige Limitationen in der Analyse vermuten. Vor dem Hintergrund der Skepsis der Vertreter der Grounded-Theory gegenüber einem deduktiv-nomologischen Forschungszugang wäre etwa zu fragen, wie die Interpretationen der Autorin von der Vorstellung einer Karriere beeinflusst waren und welche Schritte unternommen wurden, um die abgeleiteten Entwicklungsphasen und Hypothesen zu verifizieren und zu validieren.

Weiterhin werden keine Informationen darüber gegeben, ob es sich um eine Querschnitts- oder Längsschnittstudie handelt und zu welchem Zeitpunkt der Karriere die Interviews stattfanden. Dadurch ist leider nicht abzusehen, auf welche Zeiträume sich die damit verbundenen Rekonstruktionsleistungen der interviewten LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehen. Ein Design, welches lediglich Interviews nach der erfolgreichen Veröffentlichung des Berichts vorsieht, läuft mitunter Gefahr, verzerrte Daten zu genieren. Durch die positive Karriereentwicklung können Erzählungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum gesamten Prozess etwa einer Relativierung unterworfen sein, wodurch bestimmte Ereignisse rückblickend über- oder unterschätzt werden. Ein Design, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Prozess begleitet, wäre hier also deutlich vorzuziehen.

3) Zwar bieten die Interviews mit den LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufschlussreiche Einsichten zur Neuausrichtung der Datenaufbereitung und -darstellung zu bildungsrelevanten Themen in den Kommunen. Um einige Ergebnisse abzusichern und weiter auszuarbeiten, wäre allerdings eine Erweiterung der Studie um die Perspektive der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie der politischen und weiteren relevanten Entscheidungsträger wünschenswert gewesen. So basiert etwa der Befund, dass die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als unerwünschte Eindringlinge durch die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wahrgenommen wurden, auf der Einschätzung der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hierbei handelt es sich somit „nur“ um eine wahrgenommene Fremdzuschreibung, wodurch gegebenenfalls die „wahren Gründe“ für die identifizierten Machtkonflikte verdeckt bleiben. Ähnlich verhält es sich mit der Perspektive der politischen Akteursgruppen. Zwar wird angesprochen, dass mit Hilfe der Bildungskonferenz sowie des Lenkungsausschusses und -kreises das Bildungsmonitoring etabliert wurde. Weitergehende Informationen zur dahinterliegenden Dynamik fehlen allerdings.

Beitrag zum Diskurs und Anschlussfragen: Insgesamt trägt die Studie zu einer differenzierten Diskussion der programmatischen und theoretischen Annahmen bei. Eine entsprechende Einordnung nimmt Opper jedoch leider nicht vor. Im Folgenden werde ich daher auf drei übergreifende Erkenntnisse eingehen, welche die Studie aus meiner Sicht zum bisherigen Diskurs beisteuert. In diesem Zusammenhang schlage ich sich daraus ergebende Fragen für eine weitergehende Forschung vor.

1) In den beiden untersuchten Kommunen scheinen die Konzeption und Umsetzung der Bildungsberichte vor allem auf den Schultern der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelegen zu haben. Insbesondere in dem untersuchten Kreis waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei bis zur Vorstellung des Berichts in politischen Gremien teilweise sehr starken Restriktionen von Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern der kreisangehörigen Städte ausgesetzt.

In der bisher vorliegenden Literatur werden zwar ebenfalls konflikthafte Professionalisierungsprozesse und ein Wettbewerb um „gute“ Daten zwischen Vertretern der neuen und alten Ordnung angenommen (vgl. etwa Niedlich & Brüsemeister, 2012). Zugleich wird in der Literatur allerdings auch unterstellt, dass trotz dieses Ringens ein kollektiver, auch aus Eigeninteressen gespeister Wille unter den vielfältigen politischen und administrativen Akteursgruppen vorliegt, sowohl Ziele und zu beleuchtende regionale Problemlagen für ein kommunales Bildungsmonitoring zu verhandeln als auch den Prozess zu unterstützen (vgl. etwa Pohl & Schwarz, 2015). Vor dem Hintergrund der Studienbefunde erscheint diese Einschätzung fraglich. Den LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelang es scheinbar erst „mit Hartnäckigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und mit einer gebotenen Unterwürfigkeit die Grenze allmählich aufzubrechen“ (Opper, 2016, S. 128).

Nicht zuletzt aufgrund des großangelegten Transfers des LvO-Programmes in weitere Kommunen besteht an dieser Stelle ein Bedarf an weitergehender Forschung zu dem von Opper aufgezeigten „Sinneswandel“ der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. So wäre etwa unter Rückgriff auf Überlegungen von Elias und Scotson (1990) zu Etablierten-Außenseiter-Beziehungen zu fragen, aus welchen Machtquellen und Gruppennormen und -identitäten sich der durch die Studie beschriebene Wandel der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Außenseitern zu Etablierten speist. Oder anders gewendet: Aus welchen Gründen gewähren die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter als Etablierte den LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Zugang zu den Daten und Prozessen der Verwaltung?

2) Mit der Veröffentlichung des Bildungsberichts verbindet die Autorin den Aufstieg der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Experten. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Nutzen der Arbeit für die Kommune deutlich und das Bildungsmonitoring sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden anerkannt, so Opper. Worin der Nutzen für wen konkret bestand und warum die Sichtbarkeit des Berichts dazu beitrug, sollte in zukünftiger Forschung vertiefend behandelt werden.

Die bisherige Forschung geht davon aus, dass durch ein Bildungsmonitoring eine bedeutsame Arena für ämter- und bereichsübergreifende Lernprozesse und datenbasierte Strategieentscheidungen entsteht (vgl. etwa Lindner et al., 2015). Aus meiner Sicht ergänzen die Ergebnisse von Opper diese Einschätzung um einen wichtigen Aspekt, der bisher nur am Rande behandelt wurde: Durch einen ausgedehnten, öffentlichen Zugang auf das „technisch-sachliche Wissen der Bürokraten“ (Köhler, 2011, S. 331) kann eine Machtverschiebung zwischen den Verwaltungsressorts der Kommune und politischen, zivilgesellschaftlichen sowie weiteren relevanten Entscheidungsträgern einhergehen. Ein Bildungsmonitoring sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären demnach als Ausdruck einer dienstleistungs- und managementorientierten Verwaltung und als einflussreiche Türöffner zum Herrschaftswissen der bürokratischen Verwaltung zu betrachten. Handlungen der Verwaltung können damit unter den Vorzeichen einer post-bürokratischen Statistik verstärkt strategischen Zielsetzungen und Kontrollen unterworfen sein.

Inwieweit damit der Anspruch von sachlichen und zielorientierten Entscheidungen eingelöst wird, wäre ebenfalls zu vertiefen. In diesem Zusammenhang legen Erkenntnisse der Wissensverwendungsforschung (vgl. etwa Rürup, Fuchs & Weishaupt, 2016) allerdings auch nahe, dass Daten insbesondere zur Inszenierung und Legitimation der eigenen Handlungen „missbraucht“ werden.

3) Analog dazu arbeitet die Studie die Bedeutung von neuen Vernetzungs- und Kommunikationsstrukturen sowie eines institutionellen Bildungsmanagements für die Etablierung und insbesondere für eine erste Akzeptanz eines Bildungsmonitorings heraus. Dabei zeigt Opper auf, ohne es allerdings in der Deutung zu vertiefen, dass die LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die neuen Strukturen unter anderem durch das „Nacherzählen“ der LvO-Programmatik einführten. Damit bestätigt die Studie einerseits die in der Literatur angesprochene notwendige ressortübergreifende Vernetzung als Voraussetzung eines Bildungsmonitorings. Andererseits ist hier ein Ansatzpunkt zukünftiger Forschung mit der Frage zu sehen, welche Bedeutung Programme und Projekte als narrative, symbolische Hebelpunkte für die Umsetzung eines kommunalen Bildungsmonitorings haben (vgl. hierzu auch die Ergebnisse der Fallstudie von Brüsemeister & Franz, 2016). Dass die Teilnahme der unterschiedlichen Ressorts an diesen Kooperationsverbünden aus der vertrauensschaffenden „Grenzstellenarbeit“ (Opper, 2016, S. 128) der LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter resultiert, so die Interpretation der Autorin, erscheint vordergründig plausibel. Rechnet man allerdings den damit verbundenen Mehraufwand und die beschriebene Abwehrhaltung der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter gegenüber den LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie die „spontane Tendenz zur Re-Bürokratisierung“ (Mayntz, 1985, S. 125) der öffentlichen Verwaltung mit ein, verbleiben offene Fragen zur strukturellen Dynamik.

Aufschluss darüber kann etwa die auch von der Autorin aufgestellte Frage bieten, was im Anschluss an das Projektende mit dem Bildungsmonitoring und den LvO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passiert. So lässt sich die von Opper entwickelte Karrierephase des begehrten Neulings auch als Abbild eines Kultur- und Strukturkampfes um die Arbeitsweise der kommunalen Verwaltung mit Daten reformulieren. Die Phase kann dann sowohl als Hypothese für den Erfolg eines Bildungsmonitorings ("begehrt"), aber auch als Hypothese für ein mittelfristiges Scheitern der Anstrengungen verstanden werden, da die Kommunen die Projektstellen nicht in Dauerstellen umwandeln und damit die Wissens- und Erfahrungsträger für das kommunale Bildungsmonitoring weiter ziehen lassen ("Neuling"). Zwar kann eine knappe Haushaltslage dafür der Grund sein. Aber selbst dann kann angenommen werden, dass eine positive Kosten-Nutzen-Analyse eines Bildungsmonitorings durch die Verantwortlichen für den Verbleib der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen müsste.

Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang dann auch, wie nachhaltig einerseits, aber auch wie wirksam und gerecht andererseits eine bildungspolitische Strategie der Regionalisierung im Bildungswesen ist, die Veränderung über eine kurz- und mittelfristig angelegte „Projektpolitik“ (Höhne, 2010, S. 186) anzustoßen versucht.

*http://www.transferinitiative.de/Transferagenturen.php
**http://www.transferinitiative.de/bildung-integriert.php

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Diese Rezension wurde erstellt von:
Norbert Sendzik, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Schulentwicklungsforschung, TU Dortmund. Arbeitsschwerpunkte: daten- und netzwerkbasierte Schulentwicklung, Regionalisierung im Bildungsbereich und Bildungsmonitoring.

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