Fragestellungen der Studie:
Rezension zur Studie
Schildkamp, K., Smit, M. & Blossing, U. (2017). Professional Development in the Use of Data. From Data to Knowledge in Data Teams. Scandinavian Journal of Educational Research, 63(3), 393–411.FIS BildungSchildkamp, Smit und Blossing untersuchen, was die Arbeit von schulischen Arbeitsgruppen, die datenbasiert an der Lösung schulischer Probleme arbeiten („data teams“), behindern oder befördern kann, und welche Effekte die Arbeit solcher Teams hat. Hierfür wurde ein Modell zur kollaborativen Datennutzung, das in den Niederlanden entwickelt und bis dato nur dort erprobt worden war, an 4 Schulen in Schweden eingeführt. Bei diesem Modell trifft sich eine Arbeitsgruppe von Lehrkräften monatlich und setzt sich in einem achtstufigen Prozess mit Hilfe eines Coaches datenbasiert mit selbstgewählten Problemen aus ihrem schulischen Umfeld auseinander.
Zur Beantwortung der beiden Forschungsfragen, welche Faktoren die Arbeit von schulischen Arbeitsgruppen zum datenbasierten Arbeiten behindern oder fördern (1) und welche Effekte dieser Arbeit wahrgenommen werden (2), wurden Fokusgruppen-Interviews mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppen und Einzelinterviews mit den Mitgliedern der Schulleitungen in diesen Teams und mit der Person geführt, die als Coach alle 4 Teams in ihrer Arbeit unterstützte.
Die Faktoren, die die Arbeit der Teams beeinflussen, fassen die Forschenden in 3 Kategorien zusammen: Beschaffenheit der Daten (z. B. zu wenig/zu viele Daten, Qualität der Daten), Charakteristika des Teams und seiner Mitglieder (z. B. Heterogenität der Gruppe, Kompetenzen der Mitglieder), Merkmale der Schulorganisation und des institutionellen Umfelds (z. B. Verhalten der Schulleitung, Zielvorstellungen, Anforderungen an die Schule von Seiten der Bildungsadministration).
Die Effekte der Arbeit der Arbeitsgruppen sehen die Forschenden zum einen in einer Veränderung der Kompetenzen und besonders der Einstellung in Bezug auf datenbasiertes Handeln, dessen Bedeutung stärker wahrgenommen wird. Zum anderen berichteten die Interviewten von direkten Auswirkungen auf ihren Unterricht und auf die Schulentwicklung, indem konkrete Maßnahmen in Bezug auf die analysierten Probleme ergriffen wurden.
Im Ganzen bestätigen die Ergebnisse vorliegende Befunde aus Schulen in den Niederlanden, was die Einflussfaktoren und Effekte des Modells der kollaborativen Datennutzung angeht. Geschärft wurde der Blick der Forschenden für die Bedeutung der Rahmenbedingungen wie Anforderungen der Bildungsadministration, die ebenfalls die Arbeit der Arbeitsgruppen beeinflussen. Die Forschenden betonen außerdem, dass es wichtig ist, zwischen den teilnehmenden Lehrkräften und der Schulleitung ein Einverständnis in Bezug auf die zeitlichen Ressourcen herzustellen und einen Coach in den Gruppen zu haben, der den Arbeitsprozess unterstützt.
Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.
Reflexionsfragen für Lehrkräfte
Reflexionsfragen für Schulleitungen
Ausgangspunkt der Studie ist ein kollaboratives Datennutzungsmodell, das eine der Forschenden mitentwickelt hat und das in verschiedenen Studien evaluiert wurde (u. a. Schildkamp et al., 2019). Das Modell ist als Acht-Schritte-Prozess strukturiert, bei dem ein Moderator oder eine Moderatorin („Coach“) ein Team von Lehrkräften einer Schule begleitet, während sie die Phasen dieses Prozesses durchlaufen und ihre Kompetenzen erweitern, indem sie sich mit einem selbst gewählten Praxisproblem befassen. Diese Schritte sind: Problembeschreibung, Hypothesenbildung, Datenerhebung, Überprüfung der Datenqualität, Datenanalyse/Visualisierung, Interpretation, Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen und Evaluation der Maßnahmen (siehe Schildkamp et al., 2018 für eine detailliertere Beschreibung von Struktur und Prozess).
Diese Intervention verfolgt zwei Ziele:
Aus eigenen vorangegangenen Studien und anderer angrenzender Forschung nehmen die Forschenden an, dass folgende Faktoren die Arbeit der schulinternen Teams beeinflussen:
Die Forschenden führten ihr Projekt an vier Schulen verschiedener Schulformen einer Gemeinde in Schweden durch, die sich freiwillig für die Zusammenarbeit gemeldet hatten. Die Gemeinde unterstützte das Projekt, indem sie den Coach für die Arbeitsgruppen zur Verfügung stellte und drei Treffen für alle beteiligten Schulen organisierte, die dem Austausch über den Prozess dienten.
Das Team traf sich innerhalb von 15 Monaten circa monatlich mit dem Coach. In diesen Meetings arbeiteten die Mitglieder an selbst gewählten Problemen aus dem Schulalltag, zu denen sie Daten auswerteten, um auf dieser Basis begründete Entscheidungen zu angemessenen Maßnahmen zu treffen. Jede Arbeitsgruppe wurde am Ende der 15-monatigen Projektphase im Rahmen eines einstündigen, leitfadengestützten Fokusgruppen-Interviews befragt, etwa zu den Gründen für ihre Teilnahme, ihre Erfahrungen bei der Mitarbeit in den Teams, dem Einfluss ihrer Arbeit und zu Faktoren, die ihre Arbeit förderten oder erschwerten. Dazu gab es Einzelinterviews mit den teilnehmenden Mitgliedern der Schulleitungen und dem Coach.
Die Fokusgruppen-Interviews wurden protokolliert und diese Protokolle wurden von den Interviewten bestätigt. Dann wurde auf der Grundlage des Forschungshintergrunds und der bereits durchgeführten Studien a priori ein Kodierschema entwickelt, das um den Faktor „Kontext“, das heißt die institutionellen Rahmenbedingungen durch die Gemeinde, erweitert wurde. Es stützte sich auf die im vorangegangenen Abschnitt skizzierten Einflussfaktoren.
Die Forschenden gehen folgenden Forschungsfragen nach:
Dazu stellen sie zunächst die einzelnen Fälle, also die Arbeitsgruppen der vier Schulen vor und beschreiben exemplarisch, woran diese gearbeitet haben (Schulabsentismus, ein Gefühl von Unsicherheit mancher Schülerinnen und Schüler, die Effektivität von Mentorengesprächen und eine geringe Quote von Übergängen in die nächsthöhere Schulform), wie weit sie in ihrem Arbeitsprozesse gekommen sind und so fort. In einem zweiten Schritt analysieren sie die Daten fallübergreifend.
In Bezug zu ihrer ersten Forschungsfrage kommen die Forschenden zu folgenden Ergebnissen:
1. Merkmale der Schulorganisation
Die Schulleitung beeinflusst durch die Art, wie sie die Gruppenmitglieder ermutigt, und durch die wahrgenommenen Hierarchien die Arbeit der Teams. Wichtig sind außerdem das Vorhandensein einer klaren Zielvorstellung und klarer Normen sowie ein Coach, der den Prozess angemessen begleitet. Weiterhin sind institutioneller Druck (z. B. durch Schulinspektionen) und Unterstützung, Zusammenarbeit mit anderen Schulen und personelle Kontinuität in den Teams von Bedeutung.
2. Merkmale der Daten
Die notwendigen Daten müssen vorhanden sein, der Zugang zu diesen muss gewährleistet sein und sie müssen eine angemessene Qualität haben.
3. Merkmale der Arbeitsgruppe und ihrer Mitglieder
Grundlegend sind die Kompetenzen der Lehrkräfte in Bezug auf den Umgang mit den Daten („data literacy“, Schildkamp et al., 2017, S. 14), die sich nicht immer als ausreichend herausstellten. Wichtig ist zudem das pädagogische Fachwissen der Lehrkräfte und eine positive Einstellung zu datenbasiertem Handeln. Für das Funktionieren der Arbeitsgruppe sind eine regelmäßige Teilnahme der Mitglieder, eine gute Zusammenarbeit, die Einigung auf ein zu behandelndes Problem und eine gewisse Heterogenität der Mitglieder, beispielsweise in Bezug auf ihre Unterrichtsfächer, von Bedeutung.
Bei der Frage nach den wahrgenommenen Auswirkungen der Arbeit der Teams zeigte sich vor allem ein gewachsenes Bewusstsein für die Bedeutung datenbasierten Handelns und für die Notwendigkeit, dieses systematisch, also nach dem achtstufigen Modell, anzugehen. Geringer waren die Kompetenzzuwächse der Teammitglieder in diesem Bereich, so dass die Forschenden hier noch weiteren Entwicklungsbedarf sehen. So stellten sie speziell in einem Team fest, dass die Datenanalyse nicht tief genug ging, indem zwar ein statistischer Zusammenhang zwischen Schulabsentismus und erreichten Leistungen rekonstruiert wurde, das Team es aber versäumte, empirisch die Ursachen für den Absentismus zu untersuchen, und stattdessen voreilig Maßnahmen ergriff. In allen beteiligten Schulen wurden konkrete Maßnahmen geplant oder sogar schon begonnen.
Diese Ergebnisse decken sich nach Angaben der Autorinnen und des Autors weitgehend mit denen aus den vorangegangenen Studien in den Niederlanden. Die Forschenden berichten aber von Einflüssen der organisatorischen Rahmenbedingungen, wenn in Schweden beispielsweise sozialen Aspekten im Bildungsbereich mehr Bedeutung zukommt als in den Niederlanden und dementsprechend auch eher Probleme aus dieser Domäne von den Arbeitsgruppen ausgewählt werden oder wenn in Schweden die Gemeinde die Schulen aktiv unterstützte, etwa durch die Vernetzung untereinander.
Hintergrund
Die Studie basiert auf Studien, die bereits zu dem Modell durchgeführt wurden. Sie kann sich auf Forschungsergebnisse stützen, die die überwiegend deduktiv erstellten Kategorien für die Auswertung plausibel machen.
Unklar bleibt allerdings, inwieweit die Studie mit einer anderen in den Niederlanden durchgeführten zu der gleichen Fragestellung übereinstimmt. Die Forschenden bezeichnen die vorliegende Studie als „replication study“ (Schildkamp et al., 2017, S. 1); dabei bleibt jedoch unklar, wie exakt das Design der aktuellen dem der vorangegangenen Studie entspricht.
Design
Eingeschränkt wird die Aussagekraft der Studie zum einen dadurch, dass es sich um eine kleine Stichprobe handelt. Zum anderen beruhen die Ergebnisse ausschließlich auf den Berichten der Beteiligten. Letzterer Einschränkung wurde insofern begegnet, als die Aussagen der Lehrkräfte, der Mitglieder, der Schulleitungen und des Coaches miteinander verglichen werden konnten (Triangulation) und hier eine Übereinstimmung festgestellt werden konnte.
Ergebnisse
Die Forschenden stellten zwei Hauptforschungsfragen:
Sie untersuchten den Arbeitsprozess von vier Schulgruppen in Schweden, die sich mit Themen wie Schulabsentismus oder der Effektivität von Mentorengesprächen befassten und für die Probleme datenbasiert Lösungen suchten.
Folgende Ergebnisse lassen sich bezüglich der ersten Forschungsfrage festhalten:
Bezüglich der wahrgenommenen Effekte (Frage 2) zeigen sich ein gestiegenes Bewusstsein für die Bedeutung systematischer datenbasierter Ansätze, jedoch geringere Kompetenzzuwächse bei den Teammitgliedern, was in einem Fall im vorschnellen Ergreifen von Maßnahmen deutlich wird. In allen Schulen wurden konkrete Maßnahmen geplant oder begonnen.
Für die Praxis weisen die Forschenden abschließend auf vier Aspekte hin: Erstens sollte die Bereitstellung zeitlicher Kapazitäten für die Arbeit in den Teams zwischen Schulleitung und Lehrkräften ausführlich kommuniziert werden, um unterschiedliche Prämissen zu vermeiden. Zweitens ist ein kompetenter Coach besonders im ersten Jahr für die Arbeitsgruppen unerlässlich. Drittens muss die Zusammensetzung der Gruppen gut überlegt sein, da ein gewisses Maß an Heterogenität die Arbeit stimuliert, zu große Unterschiede zwischen den Gruppenmitgliedern jedoch auch zu einem Hindernis für die Zusammenarbeit werden können. Schließlich gilt es den administrativen Rahmen im Blick zu behalten und diesen als unterstützenden Faktor zu nutzen.
Diese Hinweise für die praktische Arbeit im Rahmen einer datenbasierten Schulentwicklung sind direkt nutzbar für Schulen, die sich auf diesen Weg machen oder mit Problemen auf diesem Weg konfrontiert sind. Auch wenn die Anzahl der untersuchten Fälle klein ist, macht die Studie deutlich, wie genau die Arbeit solcher schulischen Arbeitsgruppen geplant werden muss, damit sie erfolgreich sein kann.
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