Fragestellungen der Studie:

  • Wie werden Forschungsergebnisse zu Schulentwicklungsthemen in Forschungs-Praxis-Partnerschaften genutzt?

Rezension zur Studie

Sjölund, S., Lindvall, J., Larsson, M. & Ryve, A. (2022). Using research to inform practice through research‐practice partnerships: A systematic literature review. Review of Education, 10(1), 1–25.

Forschungs-Praxis-Partnerschaften (z. B. School of Education, Clearing-House-Unterricht) sind regional, vor allem an Hochschulstandorten, etablierte Einrichtungen der Lehrerbildung und Schulentwicklung. Sie bilden eine wichtige Schnittstelle zwischen Bildungsforschung und Bildungspraxis und lassen sich als längerfristige Kooperationsbeziehungen beschreiben, die darauf abzielen, durch spezifische Analysen einen Beitrag zur Lösung praktischer Probleme zu leisten. Nichtsdestotrotz kann die Zusammenarbeit in entsprechenden Partnerschaften aufgrund einrichtungsspezifischer Ressourcen und Bedarfe sehr anspruchsvoll und komplex sein. Davon ausgehend wird in der rezensierten Studie von Sjölund und Kollegen der Frage nachgegangen, welche Nutzungsarten unterschieden werden können und wie die Zusammenarbeit möglichst gewinnbringend gestaltet beziehungsweise das vorhandene Wissen genutzt werden kann, um Angebote (noch) passgenauer auf die Bedarfe der Bildungspraxis abzustimmen.

In der rezensierten Studie haben Sjölund et al. ein systematisches Literaturreview mit 57 Artikeln durchgeführt: Die Forschungsergebnisse von Forschungs-Praxis-Partnerschaften (FPP) in Bezug auf Schulentwicklungsthemen können auf verschiedene Arten genutzt werden, um sowohl Produkte als auch Prozesse im Schulentwicklungszyklus datenbasiert zu optimieren. Hierzu werden vier verschiedene Nutzungsarten ermittelt: Erstens werden Forschungsergebnisse instrumentell genutzt, das heißt, das Produkt kann direkt im Alltag genutzt werden. Zweitens werden Forschungsergebnisse konzeptionell genutzt, um Rahmenbedingungen und Abläufe zu planen oder anzupassen. Drittens kann Forschung genutzt werden, um Praktikerinnen und Praktiker darin zu befähigen, Bildungsabläufe eigenständig weiterzuentwickeln (Prozessnutzung). Und viertens können Forschungsergebnisse zur politischen Legitimation bereits getroffener Entscheidungen herangezogen werden. Des Weiteren fassen Sjölund et al. unter anderem aufgrund des Autonomiebestrebens der Lehrkräfte zusammen, dass das Engagement der Praktikerinnen und Praktiker je nach Nutzungsart (instrumentelle Nutzung, konzeptionelle Nutzung, Prozessnutzung, politische Nutzung) variieren kann.

Insgesamt erscheint das Vorgehen in der rezensierten Studie nachvollziehbar, wenngleich der Großteil der Studien, die Sjölund et al. systematisiert haben, aus dem US-amerikanischen Raum stammt. Somit sind ggf. nicht alle Erkenntnisse vollumfänglich auf den deutschsprachigen oder europäischen Raum übertragbar. Nichtsdestotrotz kann die Studie bedeutsame Informationen für die Optimierung bestehender sowie den Aufbau neuer Partnerschaften liefern. Interessant wäre überdies Folgeforschung hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung und Anwendung von Forschungserkenntnissen (hier: Nutzungsmöglichkeiten) im schulischen Praxisfeld.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte

  • In welcher Weise beschäftige ich mich mit wissenschaftlichen Publikationen bzw. ziehe diese bei Fragen und Problemen heran?
  • Welche Partnerschaften zwischen Praxis und Forschung kenne ich?
  • Was wären meine Wünsche an eine gute Partnerschaft zwischen Praxis und Forschung?
  • Welche Art der Zusammenarbeit zwischen Schule und Wissenschaft wünsche ich mir?

Reflexionsfragen für Schulleitungen

  • Welche Forschungseinrichtungen/Universitäten sind im näheren Umfeld meiner Schule?
  • Bestehen bereits Partnerschaften zwischen Praxis und Forschung?
  • In welcher Weise kann ich meinem Kollegium Ressourcen (zeitlich, räumlich, Quellenzugang etc.) anbieten, um sich (mehr) mit Forschungsergebnissen und -prozessen auseinanderzusetzen?
  • Auf welche Quellen wird an meiner Schule bei Fragen und Problemen zurückgegriffen (z. B. Schulamt, Praxisratgeber, Forschung, Fortbildungen)?
  • In welcher Weise unterstütze ich mein Kollegium bei der Umsetzung wissenschaftlicher Ergebnisse in der Praxis?
  • Welche (schulischen) Ziele werden mit FPP verfolgt bzw. welcher Mehrwert wird dadurch erhofft?

Einleitend erläutern Sjölund et al. die Hintergründe der Untersuchung, wobei sie auf verschiedene Forschungsarbeiten rekurrieren: Forschungs-Praxis-Partnerschaften (FPP) würden zunehmend als vielversprechende Strukturen angesehen, die dazu beitragen sollen, Forschung und Praxis einander anzunähern. Bei FPP handelt es sich um Zusammenschlüsse von Personen aus der Wissenschaft und der Bildungspraxis mit dem gemeinsamen Ziel der Verbesserung der Praxis durch die Nutzung von Forschungsergebnissen bei der pädagogischen Entscheidungsfindung. In kollaborativen Ansätzen solle die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis verringert werden.

Das Ziel der rezensierten Studie liegt darin, Leitgedanken für die zukünftige Ausgestaltung des Wissenschafts-Praxis-Transfers zu formulieren und aufzuzeigen, wie Forschung in der Praxis bereits genutzt wird bzw. (optimiert) genutzt werden kann.

Sjölund et al. referieren Coburn et al. (2013), nach denen FPP gekennzeichnet sind durch:

  1. Langfristigkeit
  2. Fokus auf Lösungen von Praxisproblemen
  3. Gegenseitigkeit
  4. Gezielte Strategien zur Förderung der partnerschaftlichen Beziehung
  5. Erhebung und Analyse realer Daten

Des Weiteren werden in der rezensierten Studie vier Kategorien nach Weiss und Bucuvalas (1980) zur Nutzung von Forschungsergebnissen unterschieden, auf welche auch in neueren Studien zurückgegriffen werde:

  1. Design-Research-Partnerships: Konkrete Lösungen sollen gefunden und umgesetzt werden (im Folgenden auch: instrumentelle Nutzung)
  2. Research-Alliances: Probleme aus der Praxis sollen verstanden und Perspektiven erweitert werden, Bestehendes kann ggf. infrage gestellt werden und neue (bessere) Konzepte werden geschaffen (im Folgenden auch: konzeptionelle Nutzung)
  3. Networked-Improvement-Communities: Forschungsprozesse werden unmittelbar in der Praxis genutzt/umgesetzt und ermöglichen somit datenbasierte Analysen und Erkenntnisse (vgl. Bildungsmonitoring; im Folgenden auch: prozessuale Nutzung)
  4. Symbolische/politische Nutzung: Forschung dient der Legitimation bereits getroffener Entscheidungen (vgl. Rechenschaftspflicht)

Einige Staaten legten bereits Wert auf die Integration von Forschungsergebnissen bei Entscheidungen im Bildungsbereich und nutzen Daten als Navigationshilfen (z. B. USA: The Every Student Succeeds Act, 2015; Großbritannien: Department for Education, 2013; Schweden: Education Act, 2010). Großbritannien habe sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, Forschungsergebnisse, die sich in der Bildungspraxis bewährt haben, über eine Plattform zu verbreiten und so Austausch und Diskussion zu fördern (Tseng & Nutley, 2014; Dawson et al., 2018).

Neben diesen dargestellten Nutzungsmöglichkeiten von FPP stelle die Arbeit in FPP die Beteiligten immer wieder vor zwei Herausforderungen. Zum einen konzentriere sich die Wissenschaft nicht immer auf praxisrelevante Themen (Penuel et al., 2017), was nach der präskriptiven Entscheidungstheorie (Wie soll ein Entscheidungsträger entscheiden?) die Forschungsnutzung erschwere. Zum anderen bestehe die zweite Herausforderung darin, dass Praktikerinnen und Praktiker nicht immer über die nötige Zeit und Ressourcen verfügten, um Forschungswissen zu nutzen (Coburn et al., 2013). Nach der deskriptiven Entscheidungstheorie (Wie entscheidet ein Entscheidungsträger tatsächlich?) stelle sich hier die Frage, wie Praktikerinnen und Praktiker stärker in die Generierung von Forschungsergebnissen integriert werden könnten (Farrell et al., 2021). Beide Herausforderungen seien im Sinne der Entscheidungstheorie eng miteinander verbunden und bedingten sich wechselseitig (Kennedy, 2016).

Infolgedessen werden in der rezensierten Studie die folgenden drei Forschungsfragen adressiert:

  1. Welche Art von Forschung (z. B. Forschungstheorien, Ergebnisse, Methoden) wird in FPP verwendet, um Verbesserungen in der Schule hervorzubringen?
  2. Welche Möglichkeiten der Forschungsnutzung werden den Praktikerinnen und Praktikern angeboten?
  3. Inwiefern wirken sich die unterschiedlichen Forschungsnutzungen auf das Engagement von Praktikerinnen und Praktikern
    • hinsichtlich der Einstellung gegenüber Forschung aus und
    • hinsichtlich der Mitwirkung bei der Generierung von Forschungsergebnissen?

Um einen Überblick über den Forschungsstand zum Einsatz und der Nutzung von FPP zu erlangen, wurde eine systematische Kartierung der Forschungsliteratur zu Partnerschaften im Bildungsbereich durchgeführt. Die Literaturauswahl wurde in vier Schritte (Literatursuche, Auswahl relevanter Literatur, Datenextraktion, Analyse) gegliedert.

Literatursuche & Auswahl relevanter Literatur
Zu Beginn wurden Artikel mit entsprechenden Schlagwörtern in den vier Datenbanken ERIC, PsychINFO, Scopus und Web of Science gesucht. Hierfür wurden entsprechende Suchbefehle verwendet. Die Datenbank ERIC umfasst ausschließlich Studien aus dem Bildungsbereich, wohingegen der Suchbefehl bei den anderen drei Datenbanken explizit auf den Bildungsbereich angepasst werden musste. Das Ziel der rezensierten Studie war die konfigurative, also beschreibende Literaturübersicht und nicht eine Addition bestehender Ergebnisse. Insofern verblieben nach dem Ausschluss von Duplikaten, Kommentaren oder grauer Literatur 57 Studien, die in die hier rezensierte Literaturübersicht einflossen. Es wurden ausschließlich Peer-Review-Artikel eingeschlossen, um eine gewisse Qualität sicherstellen zu können.

Datenextraktion
Ausgehend von dieser Literaturauswahl lassen sich die N = 57 eingeschlossenen Arbeiten wie folgt beschreiben:

  1. Die Herkunftsländer der Studien waren folgende: USA (N = 52), Großbritannien (N = 2), Japan (N = 1), andere Länder des Südpazifiks (N = 2). Das Autorenteam merkt hierbei selbst an, dass die Validität kritisch sei, da 90 % Prozent der untersuchten Artikel bzw. Partnerschaften aus dem US-Kontext stammen.
  2. Die Studien stammten zu ca. 72 % aus den Jahren 2010 bis 2019, die älteste Studie wurde in den späten 1980ern veröffentlicht.
  3. Der Großteil der Studien war als Fallstudien angelegt und umfasste nur eine begrenzte Anzahl an teilnehmenden Lehrkräften bzw. Forschenden.
  4. In den untersuchten Studien wurden die Daten meist durch Interviews erhoben. Teilweise wurden auch Beobachtungen, Umfragen oder Dokumente zur Erhebung genutzt. Die Auswertungen erfolgten meist qualitativ, seltener quantitativ.

Analyse
Der Fokus bei der Analyse der ausgewählten Studien lag auf der Forschungsart sowie den Möglichkeiten zur Nutzung in der Praxis. Insofern wurden die Interventionsmöglichkeiten als Teil der FPP angesehen und untersucht, inwiefern Praktikerinnen und Praktiker die Forschung nutzen können, um dadurch Verbesserungen in der Schule herbeiführen zu können. Die Daten wurden in drei Schritten analysiert:

  1. Es wurde untersucht, welche Art der Forschung (z. B. Forschungstheorien, Ergebnisse, Methoden) zur Information in der FPP verwendet wurde. Forschung kann sowohl Informationen bezüglich des Produktes als auch des Prozesses liefern.
  2. Die ausgewählten Studien wurden offen, iterativ und durch mehrere Kodierende kodiert. Hierbei stand die Art der verwendeten Forschung im Fokus. Die Kodierung erfolgte in mehreren Zyklen, bis die Kategorien nicht mehr verändert werden mussten. Sowohl diese Iteration als auch die Kodierung durch mehrere Kodierende erhöhen die Zuverlässigkeit (Reliabilität) der Vorgehensweise.
  3. Im Zentrum des dritten Analyseschritts standen die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der Forschungsprozesse und -ergebnisse, wobei hierfür die oben genannte Kategorisierung nach Weiss und Bucuvalas (1980) herangezogen wurde: instrumentelle, konzeptionelle, prozessuale und symbolische/politische Nutzungsmöglichkeit. Hierbei wurde offen vorgegangen, um Befunde nicht auszuschließen, die diesen vier Kategorien nicht zugeordnet werden konnten. Außerdem wurden Studien bei Bedarf auch mit zwei Kategorien kodiert, wobei dies als primäre und sekundäre Nutzungsmöglichkeit definiert wurde.

Bei der Literaturübersicht wird festgestellt, dass die durchgeführte Forschung in FPP sowohl dem Prozess als auch einem Produkt dienen kann. Je nachdem eröffnen sich verschiedene Nutzungsarten für die Praktikerinnen und Praktiker. Bezüglich der Forschungsnutzung (z. B. instrumentell) fällt auf, dass teilweise zwei Nutzungsarten (primär und sekundär) zugeordnet werden können. Im Folgenden werden die identifizierten Forschungsarten (Forschungsfrage 1) und die Forschungsnutzung (Forschungsfrage 2) dargestellt. Die Auswirkungen auf das Engagement von Praktikern bezüglich der Einstellung gegenüber Forschung und der Generierung von Forschungsergebnissen (Forschungsfrage 3) werden hier nur angerissen und im nächsten Kapitel ausführlich diskutiert.

Interessanterweise gibt es keinen untersuchten Fall, der nicht in das Kategoriensystem von Weiss und Bucuvalas (1980) eingerahmt werden kann, wenngleich die Möglichkeit der symbolischen/politischen Nutzung nicht identifiziert werden konnte. Dies kann möglicherweise zu einem gewissen Teil auf den Ausschluss grauer Literatur zurückgeführt werden.

Im Folgenden werden die Ergebnisse bezüglich der Methode der Intervention dargestellt. Es geht somit um das Lernen in Prozessen. Hierbei werden zwei Unterkategorien identifiziert: Forschungsmethoden und Forschung zur Professionalisierung von Praktikerinnen und Praktikern. Die Forschungsmethoden untergliedern sich weiter in die drei Unterkategorien, die den beschriebenen Partnerschafts-Typen von Coburn et al. (2013) entsprechen und die Verbesserung der Schule unterstützen sollen: Research-Alliances, Design-Research-Partnerships und Networked-Improvement-Communities. Je nach Partnerschaft liegt im Regelfall eine dieser Unterkategorien im Fokus und wird vertieft eingesetzt.

Die Forschungsnutzung ist laut dem Autorenteam bei den Research-Alliances primär konzeptionell und sekundär prozessual. In Partnerschaften mit dem Design-Research-Partnership-Ansatz wird Forschung zumeist instrumentell, aber auch konzeptionell genutzt. Networked-Improvement-Communities nutzen die Forschung primär prozessual, sekundär konzeptionell. Steht die Professionalisierung von Praktikerinnen und Praktikern im Zentrum (research on high-quality professional development), so ist die Forschungsnutzung primär instrumentell, sekundär prozessual und konzeptionell. Im Zentrum bei allen Vorgehensweisen stehen immer die Forschung und Entwicklung bzw. Verbesserung der Praxis (Schule).

Neben den Partnerschaften, die die Methode der Intervention fokussieren, legen andere FPP wiederum das Hauptaugenmerk auf den Inhalt der Intervention. Hierbei können drei Abschnitte differenziert werden: Praxismodelle, Forschungsergebnisse und Forschungsmethoden. Partnerschaften, die mit Praxismodellen arbeiten, haben eine starke Verbindung zu FPP, die nach dem Design-Research-Ansatz arbeiten. Ein Beispiel für diese Vorgehensweise kann das wissenschaftsbasierte Modell zum kognitiv anregenden Unterricht sein, das in der Praxis umgesetzt wird. Entsprechend besteht die Forschungsnutzung (genau wie beim Design-Research-Ansatz) vor allem in der instrumentellen Nutzung. In Partnerschaften, die vor allem durch Forschungsergebnisse Verbesserungen herbeiführen wollen, steht die konzeptionelle Forschungsnutzung im Zentrum. Sekundär werden die Forschungsergebnisse auch instrumentell genutzt. Bei der dritten Unterkategorie (Forschungsmethoden) besteht das Hauptanliegen darin, Praktikerinnen und Praktiker zu befähigen, ihre eigene Praxis zu untersuchen und dadurch auch zu verbessern. Somit steht hier die Prozessnutzung im Vordergrund.

Bezugnehmend auf die dritte gestellte Forschungsfrage ergibt sich, dass die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der Forschungsergebnisse bzw. deren Form unterschiedliche Möglichkeiten bieten, diese aktiv in die Praxis zu integrieren.

Hintergrund
Die Untersuchung greift ein relevantes Forschungsdesiderat auf, indem sie sehr spezifisch den Wissenschaftstransfer untersucht. Hierbei stehen Forschungs-Praxis-Partnerschaften im Zentrum der Untersuchung. In einem detailliert geschilderten Literaturreview werden bestehende Erkenntnisse gesichtet und zusammenfassend dargestellt. In der rezensierten Studie werden die theoretischen Hintergründe und Begrifflichkeiten zu Forschungsnutzung ausführlich erläutert. Positiv hervorzuheben ist die Bezugnahme auf die Klassifizierung nach Weiss und Bucuvalas (1980). Auch in einigen anderen Studien (Farrell et al., 2018; Penuel et al., 2017) war dieses angewandt worden, was die Vergleichbarkeit erleichtert. Auch ist bei einer theoretischen Literaturanalyse eine gemeinsame Basis bezüglich der Begriffsdefinitionen von großer Bedeutung.

Design
Sowohl die Stichprobe als auch das methodische Vorgehen sind in der rezensierten Studie ausführlich erläutert, wenngleich die untersuchte Literatur fast ausschließlich aus dem US-Kontext stammt. Dies lässt sich teilweise dadurch erklären, dass in der Literaturauswahl alle Studien ausgeschlossen wurden, die nicht in englischer Sprache verfasst waren. Des Weiteren wurden nur Studien einbezogen, die sich mit der Verbesserung sogenannter K-12-Schulen befassten (im US-Kontext sind hiermit Einrichtungen vom Kindergarten bis zum 12. Schuljahr gemeint). Infolgedessen ist die Generalisierbarkeit oder Übertragbarkeit der Ergebnisse auf europäische Bildungssysteme eingeschränkt.

Ausgehend von den neun Phasen (Forschungsfragen entwickeln, Begriffsklärung, Auswahlkriterien festlegen, Suchstrategie festlegen, Studienauswahl mittels Auswahlkriterien, Studien kodieren, Studienqualität bewerten, Zusammenfassung der Studienergebnisse zur Beantwortung der Forschungsfragen, Berichterstattung) für eine systematische Literaturanalyse (z. B. nach Newman & Gough, 2020) gehen Sjölund et al. chronologisch nachvollziehbar vor. Das Autorenteam geht hierbei konfigurativ vor und erzielt dadurch die Abbildung einer Kategorisierung bereits bekannter Studienergebnisse, um die Forschungsfragen zu beantworten.

Ergebnisse
Die Ergebnisse der untersuchten Forschungsfragen werden im Ergebnisteil der rezensierten Studie ausführlich erläutert. Schlussendlich werden verschiedene Forschungsarten identifiziert, die jeweils mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten einhergehen bzw. diese nahelegen. Bei der Forschungsnutzung wäre es in Folgestudien interessant, zwischen den Möglichkeiten und der tatsächlichen Nutzung differenzierter zu unterscheiden. Interessant wäre dies auch mit Blick auf die symbolische/politische Nutzung von Forschung, da das Autorenteam selbst auf eine Analyse von 86 Studien verweist, in der diese Nutzungsmöglichkeit durchaus entdeckt wurde (He et al., 2020). Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Analysen liegt in der Unterscheidung zwischen einer tatsächlichen Nutzung und der theoretischen Nutzungsmöglichkeit. Des Weiteren wird in anderen von Sjölund et al. angeführten Studien auch unterschieden, ob Praktikerinnen und Praktiker in FPP eingebunden sind oder nicht, und es werden Unterschiede in der Nutzung aufgedeckt (Penuel et al., 2018). Dies wird dadurch erklärt, dass Praktikerinnen und Praktiker Forschungsergebnisse nicht immer (tatsächlich) so nutzen, wie es (ursprünglich) beabsichtigt war, wobei diese Tatsache beispielsweise auf fehlende Ressourcen der Praktikerinnen und Praktiker zurückgeführt werden kann. Des Weiteren bleibt zu beachten, dass beispielsweise eine konzeptionelle Nutzung durchaus anspruchsvoller und voraussetzungsreicher in der tatsächlichen Verbesserung von Schule sein dürfte als eine instrumentelle Forschungsnutzung. Auch wird angebracht, dass Praktikerinnen und Praktiker autonom arbeiten (wollen). Insofern hängen die Beantwortung der ersten und dritten Forschungsfrage eng zusammen und können nur schwer losgelöst betrachtet werden.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Forschungsarten sowie Nutzungsmöglichkeiten und damit auch das eingebrachte Engagement je nach (praktischer) Situationen variieren können. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass die Ressourcen der Praktikerinnen und Praktiker (z. B. Zeit, Kompetenzen) mit deren Engagement und Interesse für Forschung allgemein sowie dem Interesse zur Generierung von Forschungsergebnissen zusammenhängen. Daher ist es notwendig, Praktikerinnen und Praktiker in die Lage zu versetzen, sich an der Generierung von Forschungsergebnissen zu beteiligen, denn so sind diese auch eher in der Lage, die Ergebnisse in der Praxis zu nutzen und zu verstehen.

Wenngleich die systematische Literaturübersicht nachvollziehbar erscheint und plausible Ergebnisse hervorbringt, nennt das Autorenteam einige Punkte, die limitierend beachtet werden müssen.

Zum einen wurden die Nutzungsmöglichkeiten basierend auf dem, was die Autoren der eingeschlossenen Studien berichtet haben, kodiert. Es ist anzunehmen, dass der instrumentelle Nutzen häufiger benannt wurde, da es einfacher ist, etwas zu empfehlen (instrumenteller Nutzen), als durch Forschung die Wirksamkeit einer politischen Entscheidung zu stützen (politische Nutzung).

Des Weiteren wird angebracht, dass durch den Ausschluss grauer Literatur (z. B. Konferenzberichte, politische Stellungnahmen) wohl hauptsächlich negative Ergebnisse ausgeschlossen würden (Paez, 2017). Dies könnte beispielsweise negative Auswirkungen von FPP betreffen. Aufgrund des hier formulierten Forschungsinteresses hinsichtlich Forschungsart und -nutzung wird dieser Ausschluss jedoch bewusst in Kauf genommen.

Wie bereits mehrfach beschrieben, konzentrieren sich die eingeschlossenen Studien auf den US-amerikanischen Raum. Dies ist insofern bedeutsam, da die Bildungspolitik in den USA stark evidenzbasiert ist, wohingegen das in anderen Ländern häufig eher weniger stark ausgeprägt ist (Welsh, 2021).

Zusammenfassend besteht der Mehrwert der Studie in den Erkenntnissen, die als Orientierung für die Optimierung bestehender oder für den Aufbau neuer FPP herangezogen werden können. Wichtig ist hierbei, dass es verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis gibt und diese je nach Situation und Bedürfnissen angepasst werden müssen.

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Unterstützung für die Praxis
Diese Rezension wurde erstellt von:
Leonie Gerster, Referentin in Referat 32 am IBBW Stuttgart, Lehrerin an der Gemeinschaftsschule Schelklingen-Allmendingen, M.A. Schulforschung und Schulentwicklung

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