Fragestellungen der Studie:

  • Inwiefern lässt sich die Mehrdimensionalität von Data Richness empirisch präzisieren und systematisieren?

Rezension zur Studie

Klein, E. D. & Hejtmanek, R. A. (2023). Data Richness als Merkmal erfolgreicher Schulen. Ein Systematisierungsversuch. In K. Besa, D. Demski, J. Gesang & J.-H. Hinzke (Hrsg.), Evidenzbasierung in Lehrer*innenbildung, Schule und Bildungspolitik und administration – neue Befunde zu alten Problemen (S. 197–220). Wiesbaden: Springer VS.

Klein und Hejtmanek verfolgen mit ihrer Studie das Anliegen, die verschiedenen Dimensionen des Konzepts Data Richness zu systematisieren, diese Systematisierung empirisch zu überprüfen, um so Data Richness an Schulen kriteriengeleitet beschreiben zu können. Unter Data Richness verstehen die Autorinnen, dass Schulen für ihre Zwecke Daten zusammenstellen und nutzen, die für die jeweils aktuelle Fragestellung besonders relevant sind. Gemeint sind sowohl quantitative (z. B. aus Vergleichsarbeiten oder Umfragen innerhalb der Schulgemeinschaft) als auch qualitative Daten (z. B. aus Unterrichtsbeobachtungen, Gesprächen).

Konkret lautet die Forschungsfrage: Inwiefern lässt sich die Mehrdimensionalität von Data Richness empirisch präzisieren und systematisieren?

Zur Beantwortung dieser Frage wurden leitfadengestützte, problemzentrierte Interviews mit 14 Schulleitungen unterschiedlicher Schulformen aus 8 Bundesländern geführt. Alle Interviewten leiten Schulen, die entweder auf der Auswahlliste des Deutschen Schulpreises standen, der jährlich von der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen vergeben wird, oder diesen gewonnen haben.

Als Ergebnis identifizieren die Forscherinnen drei Dimensionen von Data Richness, die sie dreidimensional in einem Würfel darstellen:

  1. Die Art der Datenquelle (intern und extern generierte Daten sowie Forschungsergebnisse, die sich außerdem jeweils darin unterscheiden können, wie formal sie gewonnen wurden),
  2. die Akteursebene (Schulleitung, Teams, einzelne Lehrpersonen) und
  3. die Funktion der Daten im Prozess (z. B. Impulse für die Schulentwicklung, Auswahl von Maßnahmen oder Überprüfen von Wirkungen).

Sie halten fest, dass Data Richness nicht dann erreicht ist, wenn alle möglichen Ausprägungen der Dimensionen in einer Schule genutzt werden, sondern dass diese Systematisierung als Kontinuum zu verstehen ist.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte

  • Inwieweit ist meine Schule „data rich“?
  • Welche Datenquellen nutzen wir und welchen Stellenwert haben sie in unseren Entscheidungsprozessen?
  • In welchen Phasen der Schulentwicklung kommen welche Datenquellen zum Einsatz? Wie ist es zu dieser Verteilung gekommen?
  • Wie nehme ich die Rahmenbedingungen in meiner Schule für ein datengestütztes Handeln wahr?

Reflexionsfragen für Schulleitungen

  • Inwieweit ist meine Schule „data rich“?
  • Welche Datenquellen nutzen wir und welchen Stellenwert haben sie in unseren Entscheidungsprozessen?
  • In welchen Phasen der Schulentwicklung kommen welche Datenquellen zum Einsatz? Wie ist es zu dieser Verteilung gekommen?
  • Wie beeinflusse ich die Rahmenbedingungen in meiner Schule für ein datengestütztes Handeln?
  • Wie motiviere ich die Lehrkräfte an meiner Schule, verschiedene Datenarten in verschiedenen Phasen von Schulentwicklungsprozessen einzusetzen?

Ausgangspunkt der Studie ist der Befund, dass Data Richness, also die zielorientierte Nutzung mehrperspektivischer Datenbestände für Schulentwicklung, als ein Merkmal erfolgreicher Schulen gesehen wird, da diese so „in unterschiedlichen Phasen ihrer Arbeit das eigene Handeln systematisch unterfüttern“ (Klein & Hejtmanek, 2023, 198). Dabei wird als wichtig angesehen, dass der Datenbegriff nicht auf quantitative Leistungsdaten verengt werden darf, sondern dass sowohl auf formelle, quantitative Daten als auch auf informelle Daten wie Beobachtungen oder Gespräche mit Schülerinnen und Schülern zurückgegriffen wird, um beispielsweise einen konkret „betrachteten Fall in seiner Gänze und Komplexität erfassen zu können“ (Klein & Hejtmanek, 2023, 200).

Forschungsbefunde zeigten, dass Lehrkräfte und Schulleitungen in der Praxis externe und interne Datenquellen sowie Forschungsergebnisse zum Beispiel aus Fachzeitschriften nutzten, dass sie den Quellen aber unterschiedliche Relevanz zumessen würden. Dabei würden die Daten aus internen Evaluationen als am bedeutendsten eingeschätzt.

Bei der Funktion von Daten werde zum einen gesehen, dass sie dem Formulieren von Entwicklungszielen dienten und darauf aufbauend der Auswahl von Entwicklungsmaßnahmen. Des Weiteren würden sie genutzt, um die Wirksamkeit durchgeführter Maßnahmen zu evaluieren und über Nachsteuerungsbedarfe zu entscheiden (vgl. Klein & Hejtmanek, 2023).

Auf der Ebene der Akteurinnen und Akteure werde davon ausgegangen, dass es bedeutsam sei, dass diese über entsprechende Kompetenzen im Umgang – im Englischen mit Data Literacy bezeichnet – verfügten und über die Möglichkeit, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen. Dabei erwiesen sich Deutungsmuster der Individuen als bedeutsam, indem z. B. „Lehrkräfte systematisch ‚anekdotische Evidenz‘ aus der eigenen Profession wissenschaftlichen Befunden vorziehen, weil sie ihnen vertrauenswürdiger erscheint“ (Klein & Hejtmanek, 2023, 203). Eine besondere Bedeutung komme hierbei den Schulleitungen zu, denn diese beeinflussten die Einstellung der Lehrkräfte (vgl. Zlatkin-Troitschanskaia et al., 2016).

Die präsentierten Ergebnisse sind Teil der Daten des Forschungsprojekts „Mehrperspektivische Datenbestände in der Schulentwicklung. Eine Analyse der Rahmenbedingungen für Data Richness“. Für die Interview-Teilstudie wurden am Ende des Jahres 2020 telefonisch oder per Videokonferenz 14 leitfadengestützte, problemzentrierte Interviews (vgl. Witzel, 2000) mit Schulleitungen geführt. Die Schulleitungen stammten aus unterschiedlichen Schulformen (Realschulen, Gymnasien, berufliche Schulen) aus acht Bundesländern. Alle Interviewten leiten Schulen, die entweder auf der Auswahlliste des Deutschen Schulpreises standen, der jährlich von der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen vergeben wird, oder diesen gewonnen haben. Diese Auswahl erfolgte deshalb, weil die Verfasserinnen davon ausgehen, dass erfolgreiche Schulen kompetent Daten aus verschiedenen Quellen für die Schulentwicklung nutzen, also „data rich“ sind.

Der Leitfaden enthielt drei Hauptfragen zur Praxis der Schulentwicklung, der Bedeutung und Nutzung von Datenquellen und der Wahrnehmung der eigenen Rolle in diesem Prozess.

Bei der Datenauswertung bedienten sich die Forschenden der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (vgl. Mayring, 2016). Die Kategorienbildung erfolgte deduktiv-induktiv (vgl. Klein & Hejtmanek, 2023, 205). Dabei bildeten die Art der Datenquelle mit den Ausprägungen extern, intern und Forschungsbefunde die Grundlage, anhand derer die transkribierten Interviewpassagen zugeordnet wurden. In einem zweiten Schritt wurden diese Textpassagen daraufhin geprüft, welcher Phase der Schulentwicklung sie zugeordnet werden können (Impuls und Identifikation von Entwicklungszielen, Auswahl und Entwicklung von Maßnahmen und Überprüfung von Wirkungen). Schließlich wurde versucht, die Datennutzung einzelnen Akteurinnen und Akteuren (Schulleitung, Teams, Lehrkräfte) zuzuordnen. Bei den ersten beiden Dimensionen wurden im Zuge der Codierung die einzelnen Kategorien weiter ausdifferenziert.

Klein und Hejtmanek gehen folgender Forschungsfrage nach: Inwiefern lässt sich die Mehrdimensionalität von Data Richness empirisch präzisieren und systematisieren? Unter Data Richness verstehen die Autorinnen, dass Schulen für ihre Zwecke Daten zusammenstellen und nutzen, die für die jeweils aktuelle Fragestellung besonders relevant sind. Gemeint sind sowohl quantitative (z. B. aus Vergleichsarbeiten oder Umfragen innerhalb der Schulgemeinschaft) als auch qualitative Daten (z. B. aus Unterrichtsbeobachtungen, Gesprächen).

Als Ergebnis der Auswertung der Interviews mit 14 Schulleitungen identifizieren die Forscherinnen drei Dimensionen von Data Richness, die sie dreidimensional in einem Würfel darstellen, und sie eruieren jeweils die Ausprägungen an erfolgreichen Schulen (hier: Schulen, die für den Deutschen Schulpreis nominiert waren oder diesen gewonnen haben):

  1. die Art der Datenquelle (intern und extern generierte Daten sowie Forschungsergebnisse) Formale Daten werden mit weniger formalen kombiniert, indem z. B. in Forschungsbefunden propagierte Maßnahmen durch Hospitationen in anderen Schulen begutachtet werden.
  2. die Akteursebene (Schulleitung, Teams, einzelne Lehrpersonen)
    Hier lag der Fokus durch die Auswahl der Interviewpartnerinnen und -partner auf der Ebene der Schulleitung.
  3. die Funktion der Daten im Prozess
    Hierzu gehören z. B. Impulse für die Schulentwicklung, die Auswahl von Maßnahmen oder das Überprüfen von Wirkungen.

Die vorab theoretisch vorgenommene Unterteilung der Datennutzung in verschiedene Phasen der Schulentwicklung findet sich in den Interviews wieder. Dabei zeige sich, dass zum Teil für eine Phase sehr spezifische Datenquellen genutzt werden und außerdem die Phasen einer weiteren Ausdifferenzierung bedürfen. Hinzu kommen die Funktionen „Diagnose von Zusammenhängen“ und eine Differenzierung der Funktion „Überprüfen von Wirkungen“ in „Überprüfen von Wirkungen für Monitoring und Nachsteuerung“ einerseits und „Überprüfen von Wirkungen zur Legitimation“ andererseits.

Die Forschenden weisen darauf hin, dass besonders die Verschränkung der Dimensionen näherer Analyse bedarf und dass dabei auch die Rahmenbedingungen der Schule (organisatorisch innerhalb der einzelnen Schule und systematisch innerhalb des Schulsystems) mit berücksichtigt werden müssen. Sie betonen abschließend, dass Data Richness nicht dann erreicht ist, wenn alle möglichen Ausprägungen der Dimensionen in einer Schule genutzt werden, sondern dass diese Systematisierung als Kontinuum zu verstehen ist.

Hintergrund
Die Studie kann sich auf Forschungsergebnisse stützen, die die deduktiv erstellten Kategorien für die Auswertung plausibel machen. Klein und Hejtmanek erforschen, wie man die Mehrdimensionalität von Data Richness präzise definieren und systematisieren kann. Data Richness bezieht sich darauf, wie Schulen Daten für ihre spezifischen Bedürfnisse sammeln und nutzen. Diese Daten können quantitativ (z. B. aus Tests oder Umfragen) oder qualitativ (z. B. aus Unterrichtsbeobachtungen) sein.

Design
Eingeschränkt wird die Aussagekraft der Studie durch die geringe Fallzahl der Befragten. Diese fällt aber nicht weiter ins Gewicht, weil die beschriebenen Dimensionen nicht den Anspruch haben, etwas über Häufigkeiten oder Ähnliches auszusagen, sondern nur dazu beitragen sollen, die Praxis der Datennutzung differenzierter zu beschreiben.

Ergebnisse
Durch Interviews mit 14 Schulleitungen identifizieren die Forscherinnen drei Dimensionen von Data Richness: die Art der Datenquelle, die Akteursebene und die Funktion der Daten im Prozess. Sie stellen fest, dass die Verbindung dieser Dimensionen genauer untersucht werden muss und dass die Rahmenbedingungen der Schule berücksichtigt werden müssen. Schließlich betonen sie, dass Data Richness als Kontinuum betrachtet werden sollte und nicht einfach erreicht ist, wenn alle möglichen Datenquellen und -funktionen genutzt werden. Damit bieten sie einen soliden Ausgangspunkt für weitere Forschung in diesem Bereich.

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Diese Rezension wurde erstellt von:
Dr. Sonja Hensel, Lehrerin am Berufskolleg in Siegburg sowie Lehrbeauftragte an der Universität Siegen. Arbeitsschwerpunkte: Rechtschreib-, Schreib- und Lesedidaktik, selbstreguliertes und kooperatives Lernen.

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