Fragestellungen der Studie:

  • Wird soziale Verantwortungsübernahme der Schülerinnen und Schüler durch mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten in Ganztagsangeboten gefördert?

Rezension zur Studie

Kuhn, H. P., Fischer, N. & Schoreit, E. (2016). Soziales Lernen von Jungen und Mädchen in der Ganztagsschule – Zur Bedeutung der Mitbestimmung in den Angeboten für die Entwicklung der schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme. In N. Fischer, H. P. Kuhn & C. Tillack (Hrsg.), Was sind gute Schulen? Teil 4: Theorie, Forschung und Praxis zur Qualität von Ganztagsschulen (S. 148–167). Immenhausen: Prolog-Verlag.FIS Bildung

An den Ganztagsschulausbau ist unter anderem die Erwartung gekoppelt, die sozialen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler besser entwickeln zu können. Kuhn et al. untersuchen, ob mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten, wie das Mitentscheiden über Themen oder das Einbringen der eigenen Meinung, sich positiv auswirken auf die Entwicklung der schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme (z. B. Unterstützung anderer bei Hausaufgaben und beim Lernen, Streitschlichtung).

Die Analysen beruhen auf Daten der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG). Einbezogen wurden alle per Fragebogen 2005, 2007 und 2009 befragten Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 9, die Ganztagsangebote besuchten. Insgesamt liegen Angaben von 3.163 Schülerinnen und Schülern zur schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme und zur Mitbestimmung in den Ganztagsangeboten vor.

Die schulbezogene soziale Verantwortungsübernahme nimmt geschlechterunabhängig zwischen der 5. und 7. Jahrgangsstufe ab; dieser Trend wird zwischen der 7. und 9. Jahrgangsstufe etwas schwächer. Nach der Einschätzung von Mädchen sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten bei den Ganztagsangeboten in allen Jahrgangsstufen größer als in der Wahrnehmung von Jungen (d = 0.3). Zudem übernehmen sie im Vergleich zu Jungen mehr schulbezogene soziale Verantwortung (d ≤ 0.3). Die Mitbestimmungsmöglichkeiten in der 5. Jahrgangsstufe beeinflussen die soziale Verantwortungsübernahme in der 7. Jahrgangsstufe, allerdings nur bei Jungen (ß = .2). Demnach reagieren Jungen zu Beginn der Sekundarstufe I bei der Entwicklung von sozialer Verantwortungsübernahme womöglich sensitiver auf schulische Mitbestimmungsmöglichkeiten als Mädchen.

Wenngleich die von Kuhn et al. dargelegten theoriebezogenen Überlegungen einen Zusammenhang zwischen Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Ganztagsangeboten und sozialer Verantwortungsübernahme plausibilisieren, liefern die vorgenommenen sekundäranalytischen Auswertungen hierfür nur eingeschränkt Bestätigung. Angesichts der forschungsmethodischen Limitationen der Studie, die das Autorenteam teilweise selbst anführt, wird die Annahme jedoch auch nicht überzeugend widerlegt. Insofern sind vertiefende Anschlussuntersuchungen geboten, nicht zuletzt, um auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse tragfähige Lösungen für den Transfer in die Schulpraxis zu entwickeln.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Inwieweit eröffne ich meinen Schülerinnen und Schülern Mitbestimmungsmöglichkeiten im Unterricht und in Ganztagsangeboten?
  • Inwieweit rechtfertige ich die Hinwendung zu bzw. die Verweigerung von mehr Partizipation?
  • Inwieweit trägt mein pädagogisches Handeln dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler eine höhere schulbezogene soziale Verantwortungsübernahme entwickeln?

Reflexionsfragen für Schulleitungen:

  • Welchen Stellenwert hat Partizipation in Schulentwicklungsprozessen und welche Veränderungsbedarfe erkenne ich auf Grundlage der Ergebnisse der Studie?
  • Welche Formen der Partizipation werden in unserem Schulalltag zu welchem Zweck gelebt und wie hoch ist deren Verbindlichkeitsgrad?
  • Welche Haltung nimmt mein Kollegium zu den Themen Partizipation und soziale Verantwortungsübernahme der Schülerinnen und Schüler ein? Sind diesbezüglich Fortbildungswünsche oder -bedarfe festzustellen?

Der Ganztagsschulausbau ist eines der größten Schulreformprojekte Deutschlands. Kuhn et al. verweisen darauf, dass seit 2003 der Anteil an Ganztagsschulen in der bundesdeutschen Schullandschaft auf über 60 % gesteigert werden konnte (KMK 2015). An dieses Reformprojekt sei nicht nur die Erwartung adressiert, dass sich die Entwicklung fachlicher Kompetenzen unter den Schülerinnen und Schülern durch mehr individuelle Förderung chancengleich verbessere. Zusätzlich sollten in Ganztagsschulen im Rahmen eines erweiterten Bildungsverständnisses fachübergreifende und insbesondere sozial-moralische Kompetenzen sowie die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung wirksamer entwickelt werden, als es an rein unterrichtszentrierten Halbtagsschulen der Fall sei.

Das Autorenteam argumentiert unter Bezug auf Oerter (2004) und Fischer et al. (2011), dass für dieses Vorhaben qualitativ hochwertige Ganztagsangebote und eine partizipative Schulkultur als bedeutsame Rahmenbedingungen gelten. Dennoch sei weitgehend unklar, inwiefern eine spezifische Gestaltung und besondere Qualität von Ganztagsangeboten das prosoziale Verhalten von Schülerinnen und Schülern positiv beeinflussen. Im Kontext dieses vielschichtigen Desiderats stelle sich daher die Frage, „[…] ob sich verstärkte Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten positiv auf die Entwicklung der schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme der Schüler/innen von der 5. bis zur 9. Klassenstufe auswirken können“ (Kuhn et al., 2016, S. 150).

In der Untersuchung nimmt das Autorenteam zudem geschlechtsspezifische Unterschiede im Sozialverhalten in den Blick. Diese resultierten unter anderem aus abweichenden frühkindlichen Sozialisationsprozessen. In behavioraler Hinsicht werde bei Jungen häufiger ein kompetitives Verhalten, hingegen bei Mädchen häufiger ein prosoziales Verhalten gefördert. Später in der Schule fänden diese Sozialisationsunterschiede Niederschlag im Sozialverhalten. Kuhn et al. verweisen auf Jurkowski (2013), demgemäß Schüler tendenziell eher von Durchsetzungsfähigkeit und internaler Kontrollüberzeugung geleitet sind, während sich Schülerinnen tendenziell eher an Perspektivübernahme, Empathie und Zuhören orientieren. Infolgedessen würden Schülerinnen gegenüber Schülern im Sozialverhalten als schuladaptiver gelten, was sich letztlich auch im schulischen Erfolg widerspiegele.

Ein durch Partizipation begünstigtes größeres Autonomieerleben in Ganztagsangeboten könne die Neigung zu einem sozialverträglichen Verhalten in Form sozialer Verantwortungsübernahme bei Schülerinnen und Schülern befördern und hierbei insbesondere Schülern eine positive Sozialentwicklung ermöglichen. 

Vor diesem theoretischen Rahmen und dem aufgezeigten Desiderat gehen Kuhn et al. folgenden Forschungsfragen nach:

  1. Wie entwickelt sich die schulbezogene soziale Verantwortungsübernahme bei Schülerinnen und Schülern von der 5. bis zur 9. Jahrgangsstufe und zeigen sich dabei geschlechtsspezifische Unterschiede?
  2. Haben Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme bei Schülerinnen und Schülern von der 5. bis zur 9. Jahrgangsstufe und zeigen sich dabei geschlechtsspezifische Unterschiede?

Das Autorenteam griff in seiner Untersuchung auf Daten der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) zurück. Es handelt sich bei der StEG-Studie um eine bundesweit durchgeführte multiperspektivische Längsschnittuntersuchung. Insgesamt nahmen fast 65.000 Personen an der Befragung, die drei Messzeitpunkte umfasste (2005, 2007, 2009), teil (ausführlich hierzu Fischer, 2011). Für die vorliegende Sekundäranalyse wurden die Daten aller befragten Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgangsstufen 5 bis 9 genutzt, die Ganztagsangebote besuchten. Die Stichprobe umfasste 3.163 Schülerinnen und Schüler. Von diesen besaßen 27 % einen Migrationshintergrund und 51 % waren männlich. 38 % der berücksichtigten Schülerinnen und Schüler besuchten eine Schule mit mehreren Bildungsgängen, 29 % lernten auf einer integrierten Gesamtschule, 19 % gingen auf ein Gymnasium und die Haupt- und Realschule besuchten 14 %.

Über einen Fragebogen gaben die Schülerinnen und Schüler auf mehrstufigen Skalen Selbstauskünfte zu ihrer schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme und ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten. Die Reliabilitäten der beiden Skalen waren laut dem Autorenteam zufriedenstellend. Mithilfe des Statistikprogramms Mplus 6.1 erfolgte die Berechnung der durchschnittlichen Entwicklungsverläufe für die schulbezogene soziale Verantwortungsübernahme von der 5. bis zur 9. Jahrgangsstufe. Konfirmatorische Faktorenanalysen kamen für die nach Geschlecht getrennte Berechnung der latenten Mittelwerte zur Anwendung. Um Einflüsse der Mitbestimmung in den Ganztagsangeboten auf die schulbezogene soziale Verantwortungsübernahme zu prüfen, wurden zwei latente Cross-Lagged-Panel-Modelle berechnet, ein Analyseverfahren, das häufig in der Sozialforschung eingesetzt wird, um wechselseitige kausale Einflüsse zu untersuchen.

Forschungsfrage 1: Wie entwickelt sich die schulbezogene soziale Verantwortungsübernahme bei Schülerinnen und Schülern von der 5. bis zur 9. Jahrgangsstufe und zeigen sich dabei geschlechtsspezifische Unterschiede?

Die schulbezogene soziale Verantwortungsübernahme nimmt zwischen der 5. und 9. Jahrgangsstufe statistisch signifikant ab. Diese Abnahme fällt in den ersten drei Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I stärker aus als in den Jahrgangsstufen 8 und 9. Dieser Trend gilt für beide Geschlechter gleichermaßen. Allerdings agieren Mädchen konstant auf einem höheren Niveau der schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme als Jungen.

In der Betrachtung der Mittelwerte zeigt sich, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede statistisch hochsignifikant ausfallen, hinsichtlich ihrer Größe aber eher gering bleiben. Die Unterschiede in der schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme zwischen Mädchen einerseits und Jungen andererseits dürfen in ihrer Größenordnung allerdings nicht überbewertet werden (Cohens d ≤ 0.3). Obzwar die Mittelwertunterschiede statistisch hochsignifikant ausfallen, „[…] liegt deren Größenordnung doch tendenziell eher im schwachen Bereich, die Varianz innerhalb der Geschlechter ist deutlich größer als die Varianz zwischen den Geschlechtern“ (Kuhn et al., 2016, S. 163).

Forschungsfrage 2: Haben Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme bei Schülerinnen und Schülern von der 5. bis zur 9. Jahrgangsstufe und zeigen sich dabei geschlechtsspezifische Unterschiede?

Zu allen drei Messzeitpunkten der Längsschnittuntersuchung evaluieren Mädchen die Mitbestimmung bei den Ganztagsangeboten positiver als Jungen. Die Unterschiede der Mittelwerte zwischen den Einschätzungen sind statistisch signifikant, zugleich allerdings eher schwach (Cohens d liegt zwischen 0.29 und 0.35). Ebenfalls zu allen drei Messzeitpunkten lässt sich ein positiver Zusammenhang zwischen der zum jeweiligen Zeitpunkt erhobenen Mitbestimmung in den Ganztagsangeboten und der schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme mittels der latenten bivariaten Korrelationen in einer konfirmatorischen Faktorenanalyse belegen (Jgst. 5: r = .22; Jgst. 7: r = .30; Jgst. 9: r = .23).

Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten der Jahrgangsstufe 5 haben in einer Cross-Lagged-Panel-Modellierung einen statistisch signifikanten Effekt auf die soziale Verantwortungsübernahme in der Jahrgangsstufe 7. Dieser Zusammenhang gilt allerdings nur für Jungen (ß = .20, p < .001), wobei der Unterschied zu den Mädchen statistisch signifikant ist (Wald-Test: p < .05). Wie in der Beantwortung zu der ersten Forschungsfrage herausgearbeitet, sinkt die schulbezogene soziale Verantwortungsübernahme zwischen der 5. und 9. Jahrgangsstufe statistisch signifikant. Unter Berücksichtigung der Befunde zur zweiten Forschungsfrage kann in diesem Zusammenhang ergänzt werden, dass Schüler, die in der Jahrgangsstufe 5 überdurchschnittliche Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten hatten, ein deutlich höheres Niveau an schulbezogener sozialer Verantwortungsübernahme in Jahrgangsstufe 7 erreichen als Schüler, die in der Jahrgangsstufe 5 unterdurchschnittliche Mitbestimmungsmöglichkeiten hatten. „Für erstere reicht das Niveau in der 7. Klasse annähernd an das Niveau der Mädchen heran, während für letztere ein Niveau vorhergesagt wird, welches schon in der 7. Klasse etwas niedriger ausfällt als die durchschnittliche Ausprägung in der 9. Klasse“ (Kuhn et al., 2016, S. 162). Das Autorenteam interpretiert dies als möglichen Hinweis darauf, dass Jungen sensitiver auf schulische Autonomieangebote reagieren als Mädchen.

Hintergrund
Kuhn et al. wenden sich mit ihrer Sekundäranalyse einem wichtigen Desiderat zu. Erstmals wird auf Basis bundesweiter Daten untersucht, inwiefern Mitbestimmungsmöglichkeiten in Ganztagsangeboten Auswirkungen auf die Entwicklung von schulbezogener sozialer Verantwortungsübernahme haben. Dass hierbei geschlechtsspezifische Unterschiede gezielt in den Blick genommen werden, ist schon darum konsequent, da Ganztagsschulen zu mehr Chancengleichheit führen sollen.

Neben diesem Aspekt werden weitere Begründungen für den Ganztagsschulausbau benannt und unter Verweis auf einschlägige Arbeiten werden relevante theoretische Annahmen zum sozialen Lernen, zum Sozialverhalten und zu sozialen Kompetenzen geliefert. Die Ausführlichkeit, mit der die Bedeutung von Qualitätsmerkmalen in Ganztagsangeboten im Theorieteil verhandelt wird, ist vor dem Hintergrund der spezifischen Fragestellung des hier rezensierten Beitrags nur bedingt nachvollziehbar. Auch die umfangreicheren Ausführungen zur Selbstbestimmungstheorie lassen mit Blick auf die weitere thematische Progression des Artikels nicht immer eine unmittelbare Kohärenz erkennen, da das Autonomiekonstrukt, das für diesen Ansatz zentral ist, nur ausschnitthaft als Mitbestimmungsmöglichkeiten im Rahmen der Untersuchung operationalisiert wurde. Dies ist doppelt bedauerlich. Eine etwas kürzere Besprechung der Qualitätsmerkmale von Ganztagsangeboten und der Selbstbestimmungstheorie hätte zum einen im Theorieteil Platz geschaffen, um ausführlicher die für die Studie basalen geschlechtsspezifischen Unterschiede im Sozialverhalten zu behandeln. Zum anderen wäre Raum gewonnen für eine umfangreichere Erläuterung des Analyseverfahrens, worüber im nächsten Punkt zu sprechen ist.

Design
Das Autorenteam entwickelt transparent, übersichtlich und stringent die der Sekundäranalyse zugrunde liegenden vier Hypothesen, welche für diese Rezension in zwei Forschungsfragen transformiert wurden. Die Beschreibung der allgemeinen StEG-Datengrundlage und der daraus entnommenen Stichprobe erfolgt ausführlich. Dies gilt ebenso auf Ebene der genutzten Instrumente für die Beschreibung der Items und Skalen in den Fragebögen. Kritisch ist anzumerken, dass in den StEG-Fragebögen die Mitbestimmungsmöglichkeiten mit nur zwei Items erhoben werden, weshalb die empirische Basis eines der Schlüsselbegriffe dieser Sekundäranalyse notwendig schmal ausfällt.

Das Autorenteam räumt zudem selbstkritisch ein, dass die Validität der Aussagen zur schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme auf Selbstauskünften beruht. Ferner sind die zweijährigen Abstände zwischen den Befragungszeitpunkten äußerst lang. Aus Befunden von vor zwei Jahren eine Auswirkung auf das aktuelle schulbezogene soziale Verantwortungsverhalten abzuleiten, birgt gewisse Interpretationsrisiken in sich: „Dies geht eigentlich nur unter der Annahme, dass die gemessenen Mitbestimmungsmöglichkeiten auch ein Indikator für eine – dauerhafte – partizipative Schulkultur ist [sic]“ (Kuhn et al., 2016, S. 163).

Ergebnisse
Kuhn et al. beantworten die vier vorgelegten Hypothesen. Unter Berücksichtigung der einschränkenden Kritikpunkte im vorausgegangenen Absatz gelingt deren Beantwortung dennoch vollständig. Interessant ist insbesondere der Befund, dass Jungen in der Klassenstufe 5 mit überdurchschnittlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten ein deutlich höheres Niveau an schulbezogener sozialer Verantwortungsübernahme in der Klassenstufe 7 erreichen als Schüler, die in der Jahrgangsstufe 5 unterdurchschnittliche Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Ganztagsangeboten wahrnehmen. Dies lässt es lohnenswert erscheinen, an dieser Stelle anzusetzen, um insbesondere Schüler in ihrer schulbezogenen sozialen Verantwortungsübernahme chancengleich zu fördern. Was aber meint konkret Mitbestimmung in den Ganztagsangeboten? Bezieht sich Partizipation auf die Entwicklung eines Portfolios an Angeboten, auf die inhaltliche Schwerpunktsetzung im Angebot bzw. in einer konkreten Situation, auf die Wahl der Methoden, Materialien oder Sozialformen usw.?

Die vorgelegten Ergebnisse sind – gerade vor dem Hintergrund der oben benannten methodischen Kritikpunkte – ein ernst zu nehmendes Argument für die dringende Notwendigkeit umfangreicherer Untersuchungen zum Zusammenhang von Partizipation und der Entwicklung sozialer Kompetenzen unter besonderer Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede. Dem Autorenteam ist zu danken, dass sie mit ihrer Untersuchung die Erforderlichkeit weiterer Forschungen aufzeigen, damit eine partizipative Ganztagsschulkultur systematisch und effektiv im Sinne eines erweiterten Bildungsverständnisses auch die Vermittlung fachübergreifender und insbesondere sozial-moralischer Kompetenzen chancengleich befördert. Der vorliegende Beitrag kann hierfür lediglich sensibilisieren.

Diese Rezension wurde erstellt von:
Dr. Holger Braune, Schulleiter an der Freien Christlichen Gesamtschule Düsseldorf

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