Fragestellungen der Studie:

  • Ist die Teilnahme an Ganztagsangeboten abhängig vom sozialen Status und der Bildungsaspiration der Eltern?

Rezension zur Studie

Lettau, W.-D., Radisch, F. & Fussangel, K. (2016). Ganztagsschule und Chancengerechtigkeit: Systematiken der Teilnahme an offenen Ganztagsschulen. In N. Fischer, H. P. Kuhn & C. Tillack (Hrsg.), Was sind gute Schulen? Teil 4: Theorie, Forschung und Praxis zur Qualität von Ganztagsschulen (S. 202–215). Immenhausen bei Kassel: Prolog.FIS Bildung

Eine bisher unerfüllte Erwartung an Ganztagsschulen ist, dass ihr Besuch dazu beiträgt, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg zu entkoppeln. Als Ursache wird diskutiert, dass Schülerinnen und Schüler mit herkunftsbedingten Benachteiligungen seltener an Ganztagsangeboten teilnehmen.

Lettau, Radisch und Fussangel untersuchen, ob Schülerinnen und Schüler aus Elternhäusern mit günstigen Voraussetzungen (hinsichtlich beruflichem Status, Bildungsabschlüssen, Bildungsaspiration und kulturellem Kapital) häufiger Angebote des offenen Ganztages besuchen als Schülerinnen und Schüler, in deren Elternhäusern diese Merkmale weniger vorteilhaft ausgeprägt sind. Des Weiteren gehen sie der Frage nach, wodurch die Teilnahme an Ganztagsangeboten in diesen Gruppen jeweils erklärt werden kann.

Ausgehend von Fragebogenerhebungen an 504 Primarschülerinnen und -schülern sowie deren Eltern bestimmte das Autorentrio zunächst mit Hilfe einer Clusteranalyse zwei Gruppen, eine Vergleichsgruppe mit günstigen (55 %) und eine „Risikogruppe“ mit weniger günstigen (45 %) Bildungsvoraussetzungen. Von den Schülerinnen und Schülern aus der begünstigten Gruppe nehmen 45 % an ganztagsschulischen Angeboten teil, hingegen nur 36 % der Risikogruppe. Die Nutzung von Ganztagsangeboten geht in der Gruppe der Begünstigten mit vermehrtem elterlichem Kontakt zu Mitarbeitenden des Ganztagsbetriebs einher, in der Risikogruppe ist die Teilnahme an außerunterrichtlichen Angeboten einerseits bei schlechteren Noten wahrscheinlicher und andererseits häufiger mit einer Übergangsempfehlung für das Gymnasium verknüpft. Lettau et al. regen an, Eltern aus der Risikogruppe die Bedeutung von Bildung adressatenspezifischer zu vermitteln, um Chancengerechtigkeit durch eine veränderte Perspektive auf Bildungsentscheidungen (wie die Teilnahme an Ganztagsangeboten) zu erhöhen.

Wenngleich diese Forderung plausibel erscheint, besteht ein zentrales Manko der Untersuchung darin, dass die Ausprägungen der herangezogenen „Erklärvariablen“ durch die Nutzung der Ganztagsangebote beeinflusst sein können (Henne-Ei-Problem). Daher sind die ermittelten Befunde zu den differenziellen Beweggründen für die Teilnahme an Ganztagsangeboten nicht aussagekräftig und bedürfen der weiteren Klärung.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Welche Eltern meiner Schülerinnen und Schüler erfüllen die Kriterien der im Beitrag beschriebenen Risikogruppe?
  • Welche Beratungsansätze kenne und nutze ich, wenn Eltern ihr Kind nicht an einem Angebot teilnehmen lassen, das ich für hilfreich erachte?
  • Inwiefern nutze ich die Elternarbeit, um Eltern erforderlichenfalls die Bedeutung von Bildung zu verdeutlichen?

Reflexionsfragen für Schulleitungen:

  • Über welche Formen und Verfahren verfügt die von mir geleitete Schule, um adressatenspezifischer an Eltern der Risikogruppe heranzutreten und sie zu beraten?
  • Wie können wir unsere Elternarbeit so verbessern, dass Eltern aus Risikogruppen in ihren Motiven und Bedürfnissen besser durch uns verstanden werden und wirksamer beraten werden können?
  • Wie steuern wir und wie stellen wir sicher, dass besonders diejenigen Schülerinnen und Schüler Ganztagsangebote nutzen, denen diese Angebote am meisten Unterstützung böten?

In der Einleitung ihrer Untersuchung rekurrieren Lettau, Radisch und Fussangel auf ein wesentliches Argument und Ziel für den Ganztagsausbau im bundesdeutschen Schulsystem, das in einer Reduzierung des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft einerseits und Schulerfolg andererseits besteht. Dieser argumentative Ansatz fußt auf der Überzeugung, dass ein Mehr an Bildung, das die Ganztagsschule gegenüber der Halbtagsschule anbieten könne, herkunftsbedingte Benachteiligungen ausgleiche und so zu einem Mehr an Chancengerechtigkeit beim Kompetenzerwerb führe (Giesinger, 2007).

Das Autorentrio verweist darauf, dass der Ausbau der Ganztagsschullandschaft flankiert ist von kontinuierlichen Evaluationen (StEG, IGLU, TIMSS etc.). Auf Grundlage dieses breiten empirischen Datenreservoirs lasse sich untersuchen, ob der Ganztagsschulausbau den erhofften Abbau von Chancenungleichheiten zur Folge habe. Bisherige Analysen der Daten führten jedoch zu einem ernüchternden Befund: Ungeachtet der voranschreitenden Entwicklung der Ganztagsschullandschaft blieben Schülerinnen und Schüler aus Familien mit Migrationsgeschichte bzw. aus Familien mit sozialen Belastungen in ihren schulischen Leistungen deutlich hinter ihren Mitschülerinnen und Mitschülern zurück, die diese Einflüsse nicht haben (bspw. Holtappels, 2014; Müller & Ehmke, 2013). 

Im weiteren Verlauf wird als wesentliche Bedingung für eine kompensatorische Wirkung von Ganztagsangeboten herausgearbeitet, dass Kinder aus Familien mit niedrigerem sozialen Hintergrund geeignete Förderangebote im Ganztag auch tatsächlich nutzen (die Forschungslage zur sozial selektiven Nutzung von Ganztagsschulangeboten wird als heterogen und regional unterschiedlich resümiert). Zudem wird herausgestellt, wie wichtig es für die Schulen ist, die Eltern dieser Kinder als vorrangige Entscheider über die Bildungslaufbahn durch eine adressatenorientierte Steuerung des Ganztagsbetriebs zu erreichen, ohne die Attraktivität für andere Gruppen zu verlieren, um ein breites Spektrum an Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern zu akquirieren.

Angesichts der skizzierten Forschungslage und unter Einbezug der theoretischen Arbeiten Bourdieus zu den Kapitalformen (1983) und Boudons Untersuchungen zu den Begründungen und Bewertungen von Bildungsprozessen im Elternhaus (1974) formuliert das Autorentrio drei Forschungsfragen (S. 99):

  1. „Besuchen Schülerinnen und Schüler aus Elternhäusern mit hoher sozialer Herkunft, hohen allgemein- oder berufsbildenden Abschlüssen, hohem kulturellen(!) Kapital sowie hoher Bildungsaspiration (Vergleichsgruppe) systematisch häufiger die Angebote des offenen Ganztages als Schülerinnen und Schüler aus Elternhäusern mit niedriger sozialer Herkunft, niedrigen allgemein- oder berufsbildenden Abschlüssen, niedrigem kulturellen(!) Kapital sowie niedriger Bildungsaspiration (Risikogruppe)?
  2. Ist in der Risikogruppe die Entscheidung zur Teilnahme an den Angeboten stärker von Leistungsmerkmalen der Kinder als von der Bewertung der Angebote abhängig?
  3. Ist in der Vergleichsgruppe die Entscheidung zur Teilnahme an den Angeboten stärker von der Bewertung der Angebote als von Leistungsmerkmalen der Kinder abhängig?“

Aus dem vom BMBF geförderten Projekt „Kooperation von Lehrkräften und pädagogischem Personal an Ganztagsschulen und die Gestaltung von Förderangeboten und der Übergangsempfehlung“ (KoLepP) gewann das Autorentrio die Daten für seine Analysen. In KoLepP wurden im Schuljahr 2012/13 quantitative Befragungen an nordrhein-westfälischen offenen Ganztagsgrundschulen durchgeführt. Für die vorliegende Untersuchung wurden die Angaben von Schülerinnen und Schülern der vierten Jahrgangsstufe, ihren Eltern und die schülerspezifischen Übergangsempfehlungen aus der Lehrkräfteerhebung zusammengeführt. Berücksichtigt wurden nur Datensätze, welche Aussagen zur Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an außerunterrichtlichen Angeboten enthielten. Die Analysen stützten sich demnach auf eine Stichprobe von 504 Fällen. 40 % der Schülerinnen und Schüler aus der Stichprobe besuchten außerunterrichtliche Angebote. Dieser Wert ähnelt dem des nordrhein-westfälischen „Bildungsberichts Ganztagsschule“ (BiGa) für denselben Zeitraum, wonach 41 % der Schülerinnen und Schüler außerunterrichtliche Angebote aufsuchten. 

Um die drei Forschungsfragen zu beantworten, wurden nachstehende acht Indikatoren berücksichtigt:

  1. sozialer Hintergrund (HISEI = höchster beruflicher Status-Index der Eltern)
  2. höchster Schulabschluss der Eltern
  3. höchster Berufsabschluss der Eltern
  4. kulturelles Kapital (operationalisiert durch Anzahl der Bücher und Lexika im Haushalt)
  5. Zuwanderung (Geburtsland der Eltern)
  6. Bildungsaspiration der Eltern (gewünschte und erwartete Übergangsempfehlung für das Gymnasium)
  7. Schülerleistungen (mathematischer Leistungstest; Mittelwert der letzten Zeugnisnoten in Mathematik, Deutsch und Sachkunde; Übergangsempfehlung der Klassenlehrkraft für das Gymnasium ja/nein)
  8. Zufriedenheit mit den Ganztagsangeboten (erfasst über die Verlässlichkeit der Betreuungszeiten, die Informationen der Schule zum Ganztagsbetrieb und den Kontakt zum Ganztagspersonal; Skala von 1 = Min bis 4 = Max)

Auf Grundlage der Indikatoren 1–4 und 6 wurden die 504 Fälle clusteranalytisch untersucht und in zwei Gruppen klassifiziert (SPSS, Methode: Ward):

Cluster 1
Bestehend aus 278 Fällen (55 % der Stichprobe) enthält die sogenannte Vergleichsgruppe (Cluster 1) Schülerinnen und Schüler aus Elternhäusern mit überwiegend hohem beruflichem Status, hohem Bildungs- und Berufsabschluss, vielen Büchern und Lexika. Die gewünschte und erwartete Übergangsempfehlung für das Gymnasium liegt bei 100 %.

Cluster 2
Bestehend aus 226 Fällen (45 % der Stichprobe) enthält die sogenannte Risikogruppe (Cluster 2) Schülerinnen und Schüler aus Elternhäusern mit überwiegend mittlerem bis niedrigem beruflichem Status, niedrigeren Bildungs- und Berufsabschlüssen sowie wenigen Büchern und Lexika. Fast alle Eltern wünschen (89 %) und erwarten (96 %) keine Übergangsempfehlung für das Gymnasium.

In einem weiteren Schritt wurden binär logistische Regressionen für beide Cluster durchgeführt (abhängige Variable: Teilnahme an Ganztagsangeboten ja/nein), wobei die unabhängigen Variablen schrittweise in thematischen Blöcken in die Regressionsgleichung eingeschlossen wurden: 1. Geschlecht, 2. Leistung (Indikator 7), 3. Migration (Indikator 5), 4. Zufriedenheit aus Sicht der Eltern (Indikator 8).

Im Vergleich beider Cluster zeigen sich gravierende Unterschiede. Während in der Vergleichsgruppe (Cluster 1) fast 90 % der Schülerinnen und Schüler von den Lehrkräften eine Übergangsempfehlung für das Gymnasium erhalten, sind es in der Risikogruppe (Cluster 2) nur annähernd 10 %. Insofern korrespondieren die von den Eltern gewünschten/erwarteten Übergangsempfehlungen in hohem Maße mit den von den Lehrkräften ausgesprochenen Übergangsempfehlungen. Entsprechend fallen die Schülerleistungen in der Vergleichsgruppe günstiger aus (z. B. ‚Deutschnote 3 und schlechter‘ in der Vergleichsgruppe 13 %, in der Risikogruppe 65 %). Der Anteil an Elternhäusern mit Migrationserfahrung ist in der Risikogruppe etwas höher (z. B. ‚beide Eltern migriert‘ in der Vergleichsgruppe 13 %, in der Risikogruppe 26 %). 

Forschungsfrage 1
Bezüglich der Teilnahme an Angeboten im Ganztag zeigt sich eine schwache, statistisch signifikante Differenz zwischen beiden Clustern (45 % vs. 36 %). Schülerinnen und Schüler aus der Risikogruppe nutzen etwas seltener die Angebote des offenen Ganztages, obwohl angesichts der schulischen Leistungen genau das Gegenteil wünschenswert wäre. Damit ist die erste Forschungsfrage zu bejahen.

Forschungsfrage 2
Die zweite Forschungsfrage ist ebenfalls zu bejahen. Bei Einschluss aller vier Themenblöcke erweisen sich in der Auswertung für die Risikogruppe die Durchschnittsnote (Faktor 1.8) und die Übergangsempfehlung für das Gymnasium (Faktor 8.8) als erklärungsmächtig für die Teilnahme an Ganztagsangeboten (Nagelkerkes R-Quadrat = .29). Für die Angebotsbewertung lässt sich hingegen erwartungswidrig kein statistisch signifikanter Zusammenhang mit der Nutzung außerunterrichtlicher Angebote belegen. Dieser Befund wird im Sinne einer Etablierung von mehr Bildungsgerechtigkeit als positiv gedeutet.

Forschungsfrage 3
In der Vergleichsgruppe erhöht einzig und allein ein guter Kontakt der Eltern zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ganztagsbetrieb die Chance zur Nutzung außerunterrichtlicher Angebote um den Faktor 2.6 (die anderen Indikatoren sind nicht signifikant, Nagelkerkes R-Quadrat = .24). Damit stellt der Kontakt zum weiteren pädagogischen Personal im Ganztag ein entscheidendes Merkmal für die (statistische) Erklärung des Besuchs eines Angebotes dar. Vor diesem Hintergrund ist die dritte Frage eingeschränkt zu bejahen, da die anderen Aspekte der Angebotsbewertung (Zufriedenheit mit der Verlässlichkeit der Betreuungszeiten und mit den Informationen der Schule über den Ganztagsbetrieb) für die Nutzung der Ganztagsangebote keine Rolle spielen.

Hintergrund
Lettau, Radisch und Fussangel verorten ihren Beitrag anschaulich im Forschungskontext und verweisen in diesem Zusammenhang auf den Abbau der herkunftsbedingten Benachteiligung als eine zentrale bildungspolitische Erwartung an den Ganztagsschulausbau. Sie benennen einschlägige Befunde, aus denen hervorgeht, dass diese Erwartung durch den Ausbau der Ganztagsschullandschaft bisher noch nicht erfüllt sei. Stimmig wird das Spannungsfeld zwischen Elternerwartungen, Bedürfnissen der Kinder und Kapazitäten der Schule skizziert, welches je nach sozioökonomischem Hintergrund des Elternhauses unterschiedlich auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit an einem Ganztagsangebot wirke.

Insbesondere den Aspekt ungleicher Teilhabe an Bildung entfalten Lettau et al. prägnant und unter sinnvoller Einbindung der relevanten Arbeiten von Bourdieu und Boudon. Die in den Teilen „Empirie“ und „Theorie“ zusammengetragenen Überlegungen führen folgerichtig, lückenlos und leserfreundlich zu den drei Forschungsfragen, welche ein aktuelles Forschungsdesiderat aufgreifen: Das Autorentrio leitet bei seiner Untersuchung die übergeordnete Hypothese, dass sich die Schülerschaft an offenen Ganztagsgrundschulen in Nordrhein-Westfalen in zwei Gruppen teilen lässt, die sich systematisch in ihren Voraussetzungen und ihrer Teilnahme an Ganztagsangeboten unterscheiden. Bisherige Forschungen legen diesen hypothetisch angenommenen Zusammenhang nahe, den empirischen Nachweis will das Autorentrio erbringen.

Design
Die übergeordnete Hypothese wie auch die drei Forschungsfragen erscheinen geeignet und relevant. Das zur Beantwortung der Forschungsfragen herangezogene Design wird durch Lettau et al. klar und knapp entfaltet. Die entscheidenden Daten (Erhebungsinstrumente, Stichprobe, Indikatoren, Operationalisierungen etc.) werden in sinnvoller Reihenfolge transparent gemacht. Jedoch ist die Operationalisierung der Beweggründe für die Teilnahme an Ganztagsangeboten bezogen auf die Angebotsbewertung wenig differenziert und korrespondiert zudem nicht mit den einleitend angeführten Motiven der Eltern (z. B. Berufstätigkeit, Spaß der Kinder und die Möglichkeit für sie, mit Freundinnen und Freunden zusammen zu sein). Mit etwas methodischem Vorwissen lassen sich die Verfahren um die Clusteranalyse nachvollziehen. Die Aufbereitung der Daten ist zweckmäßig.

Problembewusst weist das Autorentrio darauf hin, dass die Stichprobe mit insgesamt 504 Fällen niedrig ausfällt, was angesichts der getrennten Auswertungen für die beiden Gruppen den Nachweis statistisch signifikanter Zusammenhänge teilweise verhindert. Positiv ist zu vermerken, dass das Autorentrio diesen Umstand transparent thematisiert und in der Interpretation der Daten berücksichtigt.

Ein zentrales Manko der Untersuchung besteht allerdings darin, dass die zur Erklärung herangezogenen Indikatoren für die Teilnahme an den Ganztagsangeboten durch deren Besuch beeinflusst sein können (z. B. der Kontakt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ganztagsbetriebs sowie die Übergangsempfehlung der Lehrkraft). Die unterstellte Wirkrichtung zwischen „Erklärvariablen“ und Ganztagsteilnahme ist weder gewährleistet noch plausibel und lässt sich auch nicht durch die Nutzung entsprechender statistischer Verfahren herstellen, insofern kann die Untersuchungsanlage nicht überzeugen und die Auswertungen liefern keine tragfähigen Antworten auf die Forschungsfragen 2 und 3.

Ergebnisse
Die dem Bericht zugrundeliegende Hypothese, dass sich die Schülerschaft an offenen Ganztagsgrundschulen in NRW in zwei Gruppen teilen lässt, die sich systematisch in ihren Voraussetzungen und Teilnahmeverhalten (bezüglich der Ganztagsangebote) unterscheiden, bestätigen Lettau, Radisch und Fussangel in ihrem Beitrag überzeugend. Sie zeigen überdies, dass Schülerinnen und Schüler aus Familien mit günstigen Bildungsvoraussetzungen etwas häufiger Ganztagsangebote nutzen als Kinder aus benachteiligten Elternhäusern. Hervorzuheben ist die Bestätigung dieses Zusammenhangs, da auf dieser Grundlage in Anschlussforschungen zielgerichtete Ansätze in den Fokus rücken können, die wirksam zu einer Erhöhung von Chancengerechtigkeit im Rahmen des Ganztags führen. Die Beweggründe für den Besuch von Ganztagsangeboten, die in den beiden Gruppen vorliegen, kann das Autorentrio jedoch aufgrund der oben genannten Einschränkungen nicht fundiert ermitteln.

Ungeachtet dessen schließen sich eine Reihe von Fragen an, wenn es darum geht, wie Schulen jene Schülerinnen und Schüler in fakultative Förderangebote bringen, die dieser Förderung – nicht nur aus Gründen der Chancengerechtigkeit – besonders bedürfen. Naheliegend ist diesbezüglich die Annahme des Autorentrios, dass Eltern aus der Risikogruppe die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme ihres Kindes an einem Ganztagsangebot anders begründen als Eltern mit höherem sozialen Status.

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Diese Rezension wurde erstellt von:
Dr. Holger Braune, Schulleiter an der Freien Christlichen Gesamtschule Düsseldorf

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