Fragestellungen der Studie:

  • Inwiefern erklären Unterrichtsmerkmale die Motivation von Schülerinnen und Schülern im Sportunterricht?

Rezension zur Studie

Heemsoth, T. & Krieger, C. (2018). Perspektiven auf Sportunterricht. Merkmale der Unterrichtsqualität aus Lernenden- und Lehrkraftsicht. Unterrichtswissenschaft, 46(4), 499–522.

Qualitätsmerkmale des Unterrichts wie Klassenführung oder Unterrichtsklima sind von Bedeutung für das affektiv-motivationale Erleben der Schülerinnen und Schüler, beispielsweise für ihre Anstrengungsbereitschaft und ihr Fachinteresse, was sich in der Folge auf ihre schulischen Leistungen auswirkt. Doch inwiefern hängen die Einschätzungen von Lehrkräften zur Unterrichtsqualität mit denjenigen ihrer Schülerinnen und Schüler zusammen? Lässt sich das affektiv-motivationale Erleben von Schülerinnen und Schülern aus beiden Perspektiven in ähnlicher Weise vorhersagen und liefern die Einschätzungen von Lehrkräften und Lernenden dabei die gleichen oder spezifische Erklärungsbeiträge?

Heemsoth und Krieger untersuchen dies mit Hilfe einer schriftlichen Befragung von 2.336 Schülerinnen und Schülern sowie 116 Sportlehrkräften. Die Daten wurden mit Korrelationen, Mehrebenenanalysen und Mehrebenen-Strukturgleichungsmodellen bezogen auf die Klassenebene analysiert. Zusätzlich wurden leitfadengestützte Interviews mit zwölf Lehrkräften durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Die Qualitätseinschätzungen von Lernenden und Lehrkräften weisen Zusammenhänge von mittlerer Effektstärke auf (rØ = .48). Bei der Vorhersage des affektiv-motivationalen Erlebens ist jeweils die Außenperspektive erklärungsmächtiger, d. h. einerseits die Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler zur Klassenführung und andererseits die Einschätzungen der Lehrkräfte zu Schüler-Schüler-Beziehungen. Im Hinblick auf die Lehrer-Schüler-Beziehungen leisten beide Perspektiven einen spezifischen Vorhersagebeitrag. Die Effekte sind zwar insgesamt relativ groß, sie beziehen sich aber nur auf den Variationsanteil des affektiv-motivationalen Erlebens, der auf Klassenebene liegt (8–10 %). Die Interviews erbringen, dass abweichende Einschätzungen u. a. auf unterschiedliche Referenzrahmen, den Primat der Regelklarheit von Seiten der Lehrkräfte und ihre Sensibilität für spezifische Subgruppen zurückführbar sind.

Die Ergebnisse legen nahe, bei der Einschätzung von Unterrichtsqualität verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen, da diese teilweise spezifische Informationen liefern, die für die Ausprägung lernrelevanter Merkmale bedeutsam sind. Wenngleich theoretisch begründbar, sollte die Annahme einer unidirektionalen Kausalität zukünftig geprüft werden, denn z. B. könnte das Erleben in leistungsstärkeren Klassen generell günstiger ausgeprägt sein und die Unterrichtsqualität positiver wahrgenommen werden.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Wie ist meine Einstellung gegenüber der Einholung von Schülerrückmeldungen zu meinem Unterricht? Welche Barrieren müssen beseitigt werden, um meine Haltung positiver zu gestalten?
  • Inwieweit nutze ich Möglichkeiten, mir Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern zu meinem Unterricht einzuholen? Und inwiefern leite ich hieraus Optimierungsbedarf ab?
  • Inwiefern greife ich auf die Beurteilung meines Unterrichts durch Kolleginnen und Kollegen oder externe Beurteilungen zurück und kenne hierfür einsetzbare Instrumente?
  • Welche konkreten Maßnahmen sind an unserer Schule implementiert oder sollten implementiert werden, um durch Unterrichtsbeurteilungen Unterrichtsentwicklung zu betreiben?

Reflexionsfragen für Schulleitungen:

  • Welche Maßnahmen zur Beurteilung der Unterrichtsqualität werden an meiner Schule verwendet? Inwieweit werden die Ergebnisse zur Unterrichtsentwicklung genutzt?
  • Inwiefern ermögliche ich an meiner Schule einen Austausch über Unterrichtsqualität in den einzelnen Fächern?
  • Inwiefern ist die Qualitätssicherung und -steigerung des Unterrichts an unserer Schule konzeptionell verankert? Welche Verfahren werden dahingehend verwendet und wie werden diese kommuniziert?
  • Welche verbindlichen Konsequenzen könnten sich aus der regelmäßigen Beurteilung der Unterrichtsqualität ergeben? Wie kann ich mit meinem Kollegium dahingehend in einen Austausch gelangen?

Einleitend erläutern Heemsoth und Krieger, dass zur Ermittlung von Unterrichtsqualität auf verschiedene Methoden und Ansätze zurückgegriffen werden kann (bspw. externe Beobachtungen, Befragung der Schülerinnen und Schüler und/oder der Lehrkräfte). Meistens beschränke sich die Forschung dabei auf eine Perspektive, wenngleich in der Literatur die Nutzung verschiedener Datenquellen empfohlen werde. Dies wiederum könne dazu führen, dass je nach Sichtweise und betrachtetem Konstrukt die Validität der Aussagen eingeschränkt sei. Bislang sei nicht hinreichend untersucht, welche Perspektive in welchem Analysekontext ausgewählt werden sollte.

Die beiden Autoren argumentieren, dass zu einigen Fächern zwar vereinzelt Untersuchungen vorliegen, Erkenntnisse zum Fach Sport fehlten jedoch gänzlich und eine Übertragbarkeit von Erkenntnissen anderer Fächer sei eingeschränkt. Diese Sichtweise begründen sie insbesondere mit den räumlich-materiellen Besonderheiten des Faches und plädieren vor diesem Hintergrund für die Notwendigkeit von sportunterrichtsspezifischen Befunden.

Die Befunde über die prädiktive Kraft von Lehrkräfteurteilen im Blick auf affektiv-motivationale Variablen sind uneinheitlich. Darüber hinaus schwankt jeweils der spezifische Varianzanteil der Schülerinnen- und Schülerperspektive bzw. der Lehrkräfteperspektive. Vor diesem Hintergrund untersucht das Autorenteam, inwieweit die Lehrkräfte- und Schülerinnen- und Schülerperspektiven korrelieren, inwieweit diese Perspektiven für die affektiv-motivationalen Variablen prädiktiv sind und inwieweit die Sichtweisen der Lehrkräfte und Lernenden eine eigene Spezifität besitzen.

Im theoretischen Hintergrund gehen Heemsoth und Krieger auf die Bedeutung affektiv-motivationaler Variablen, deren Determinanten sowie auf Unterrichtsmerkmale aus verschiedenen Perspektiven ein:

  • Zur Bedeutung affektiv-motivationaler Variablen: Die affektiv-motivationale Entwicklung der Lernenden werde in der unterrichtsbezogenen Bildungsforschung als ein zentrales Ziel von Unterricht angesehen, da hierdurch auf verschiedene Weise Lernprozesse und -ergebnisse begünstigt würden. Dies konnte in mehreren Studien bestätigt werden. Im aktuellen sportdidaktischen Diskurs zum „erziehenden Sportunterricht“ fänden sich ähnliche Begründungsmuster, so dass die beiden Autoren schlussfolgern, dass die affektiv-motivationale Entwicklung im Allgemeinen und im Sportunterricht eine zentrale Rolle einnimmt.
  • Determinanten affektiv-motivationaler Variablen: Als „Determinanten“ werden die drei Basisdimensionen Klassenführung, lernförderliches Unterrichtsklima und (kognitive) Aktivierung eingeführt, die sich – ungeachtet ihrer teilweise verschiedentlichen Terminologie und Konzeptualisierung in der Literatur – in der allgemeinen Unterrichtsforschung als prädiktiv für die Leistungen von Schülerinnen und Schülern und das affektiv-motivationale Erleben der Lernenden erwiesen hätten. Weiterhin verweisen die beiden Autoren darauf, dass sich die genannten „Determinanten“ auch in quantitativen und qualitativen Untersuchungen zum Sportunterricht in diesem Kontext als bedeutsam gezeigt haben.
  • Unterrichtsmerkmale aus verschiedenen Perspektiven: In diesem Kontext zeige sich in der Zusammenschau der berichteten Befunde aus verschiedenen Unterrichtsfächern, dass eine Vorhersage affektiv-motivationaler Variablen durch die Klassenführung insbesondere durch die Urteile der Schülerinnen und Schüler gelingt; vereinzelt auch durch das Urteil der Lehrkräfte. Die Lehrer-Schüler-Beziehungen könnten aus beiden Perspektiven zur Vorhersage herangezogen werden. Die Befundlage ist nach Heemsoth und Krieger jedoch vor dem Hintergrund sehr divergenter Effektstärken und des Mangels an perspektivvergleichenden Studien sowie im Hinblick auf die Schüler-Schüler-Beziehungen uneinheitlich. Außerdem sei bislang unklar, inwieweit die Sichtweise der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte zu einer spezifischen Aufklärung affektiv-motivationaler Variablen beisteuern.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen werden folgende Fragestellungen formuliert:

  1. Lassen sich Klassenführung, Lehrer-Schüler- sowie Schüler-Schüler-Beziehungen aus beiden Perspektiven mit einer vergleichbaren Struktur modellieren?
  2. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Lernenden- und Lehrkrafturteilen zur Klassenführung, den Lehrer-Schüler- und Schüler-Schüler-Beziehungen?
  3. Inwieweit lassen sich affektiv-motivationale Variablen über Aspekte der Klassenführung bzw. des Unterrichtsklimas aus den beiden Perspektiven vorhersagen?
  4. Welche Erklärungen und Interpretationen zeigen Lehrkräfte, wenn ihnen ihr Unterricht vergleichend rückgemeldet wird?

Stichprobe
Zur Beantwortung der o. g. Fragestellungen wurden 33 weiterführende Schulen mit und ohne Oberstufe in Schleswig-Holstein und Niedersachsen angeschrieben. 14 Schulen erklärten sich zur Teilnahme bereit. So nahmen insgesamt 116 Lehrkräfte (36 % weiblich) mit einer ihrer Sportklassen (Stufe 6 bis 10) mit insgesamt N = 2.336 Schülerinnen und Schülern teil (54 % weiblich). Sie wurden jeweils im Klassenverband befragt. Sportnote (2,02 ± 0,79), Alter (13,68 ± 1,42) der Schülerinnen und Schüler sowie die Berufserfahrung (12,69 ± 9,62) und das Alter (42,41 ± 10,20) der Lehrkräfte lagen in einem erwartbaren Bereich. Die Auswahl der Lehrkräfte für die Leitfadeninterviews erfolgte auf der Grundlage hoher bzw. niedriger Werte aus der Betragsdifferenz zwischen den Ergebnissen aus der Lehrkräfte- und Klassenbefragung. Von 30 ausgewählten Lehrkräften (15 mit hohen und 15 mit niedrigen Werten) nahmen zwölf teil (58 % weiblich, M = 38,5).

Instrumente der quantitativen Teilstudie
Es wurde ein schriftlicher Fragebogen für die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler aus bewährten und teilweise für den Sportunterricht adaptierten Skalen konzipiert. Jede Skala umfasste mindestens drei Items. Die Instrumente waren jeweils für die Perspektive der Lehrkräfte und der Lernenden aufbereitet bzw. parallelisiert. Dies führte bei zwei Skalen zu einer Reduzierung um ein Item.

Erfassung der Unterrichtsqualität: Die Unterrichtsdimension Klassenführung wurde mit den Skalen Regelklarheit, Disziplin- und Zeitprobleme und Allgegenwärtigkeit erfasst. Für das Unterrichtsklima kamen spezifische Skalen für den Sportunterricht zum Einsatz. Hinsichtlich der Lehrer-Schüler-Beziehungen wurden die Skalen Verständigung, Passung von Leistungsansprüchen und Gleichbehandlung eingesetzt. Hinsichtlich der Schüler-Schüler-Beziehungen wurden die Skalen Schüler-Schüler-Konflikte, soziales Kohärenzempfinden und (Selbst-)Darstellungsfreude verwendet. Für die Analysen wurde die Skala Gleichbehandlung aufgrund schlechter Reliabilitätswerte ausgeschlossen. Die Intraklassenkorrelationen (ICC) erwiesen sich für beide Perspektiven als hinreichend für die weiterführenden Analysen.

Erfassung affektiv-motivationaler Variablen: Auch hier wurden etablierte und für den Sportunterricht adaptierte Skalen eingesetzt, mit denen Hoffnung auf Erfolg, Anstrengungsbereitschaft und Fachinteresse erhoben wurden. Jede Skala umfasste mindestens fünf Items. Die Intraklassenkorrelationen (ICC1) der affektiv-motivationalen Variablen fielen eher gering aus (.08–.10), sie werden jedoch als hinreichend für die weiterführenden Analysen betrachtet.

Auswertung beider Teilstudien
Im Rahmen der quantitativen Teilstudie wurden Mehrebenen-Analysen verwendet, in denen der Zweiebenen-Struktur entsprochen wird. Zur Prüfung vergleichbarer faktorieller Strukturen für die Schüler- und Lehrkräfteperspektive kamen separate konfirmatorische Mehrebenen-Analysen für Klassenführung, Lehrer-Schüler-Beziehungen und Schüler-Schüler-Beziehungen zum Einsatz. Dabei wurde jeweils eine einfaktorielle Lösung mit einer mehrfaktoriellen Lösung mit Hilfe etablierter Prüfgrößen (Χ2-Test; Fit-Indices: RSMEA, SRMR, CFI, TLI) unter Rückgriff auf die in der Literatur üblichen Grenzwerte verglichen.

Um die Zusammenhänge zwischen Lernenden- und Lehrkrafturteilen zur Klassenführung, den Lehrer-Schüler- und Schüler-Schüler-Beziehungen zu betrachten, wurden in einer MTMM-Matrix die Korrelationen der Faktoren zweiter Ordnung der jeweiligen Perspektiven auf der Klassenebene (between) betrachtet.

Um die affektiv-motivationalen Variablen durch die Klassenführung, die Lehrer-Schüler-Beziehungen und die Schüler-Schüler-Beziehungen vorherzusagen, kamen Mehrebenen-Strukturgleichungsmodelle zum Einsatz. Zur Abschätzung der Vorhersagekraft wurde der Regressionskoeffizient auf Klassenebene betrachtet. Zur Vermeidung eines α-Fehlers erfolgte für das Signifikanzniveau eine Bonferroni-Korrektur.

Im Rahmen der qualitativen Teilstudie wurden die Lehrkräfte mit einer Abbildung konfrontiert, in welcher die Ergebnisse der eigenen Klasse (Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkraft) den Ergebnissen der gesamten Stichprobe gegenübergestellt wurden. Die Leitfadeninterviews verfolgten das Ziel, einerseits einen Gesamteindruck zur Wahrnehmung der Befunde zu erhalten, andererseits die einzelnen Ergebnisse im Detail zu besprechen und durch die Lehrkraft interpretieren zu lassen. Danach sollten Handlungskonsequenzen gezogen werden. Die Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet, wobei dem Gütekriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit durch Diskussion der Schlussfolgerungen in der Forschungsgruppe Rechnung getragen wurde.

Fragestellungen 1 und 2) Die faktorielle Prüfung der drei Konstrukte Klassenführung, Lehrer-Schüler- sowie Schüler-Schüler-Beziehungen ergibt bessere Werte für die mehrfaktoriellen als für die einfaktoriellen Lösungen. Diese Modellierungen weisen akzeptable bis gute Fit-Werte auf und gelingen auf der Individual- sowie der Klassenebene. Die Beurteilung der drei Konstrukte durch die Lehrkräfte hängt signifikant mit den Einschätzungen von Seiten der Schülerinnen und Schüler zusammen (r ≥ .44).

Fragestellung 3) Die affektiv-motivationalen Variablen (Hoffnung auf Erfolg, Anstrengungsbereitschaft und Fachinteresse) werden mit Blick auf die Klassenführung sowohl durch die Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler wie auch durch diejenigen der Lehrkräfte vorhergesagt (0.33 ≤ B ≤ 0.80). Bei einer gemeinsamen Betrachtung der beiden Perspektiven erweist sich jedoch die Perspektive der Lehrkräfte im Gegensatz zu der der Schülerinnen und Schüler als nicht prädiktiv (je p > .05). Im Blick auf die Lehrer-Schüler-Beziehungen sind in jeder der drei Modellierungen signifikante Vorhersagen affektiv-motivationaler Variablen durch beide Perspektiven gegeben (0.31 ≤ B ≤ 0.76). Mit Ausnahme der Anstrengungsbereitschaft werden die affektiv-motivationalen Variablen nur dann durch die Schüler-Schüler-Beziehungen vorhergesagt, wenn die Perspektive der Lehrkräfte erfasst wurde (0.33 ≤ B ≤ 0.40). Zwar weisen beide Perspektiven insgesamt relativ große Effekte auf, diese beziehen sich aber insgesamt auf einen eher kleinen Anteil erklärbarer Varianz auf Klassenebene (8–10 %). Mit Blick auf die durch die Perspektiven spezifisch aufgeklärte Varianz ist zu konstatieren, dass die Lehrkrafturteile zur Klassenführung (je p > .05) und die Schülerinnen- und Schülerurteile zu Schüler-Schüler-Beziehungen (je p > .05) keinen über die andere Perspektive hinausgehenden prädiktiven Mehrwert hinsichtlich der affektiv-motivationalen Variablen besitzen. Hinsichtlich der Lehrer-Schüler-Beziehungen klären beide, sowohl die Schüler- als auch die Lehrkraftperspektive, einen spezifischen Anteil an Varianz auf (21–29 %).

Fragestellung 4) Die Ergebnisse aus der qualitativen Teilstudie verdeutlichen mit Blick auf die Klassenführung eine Spezifität der Einschätzung durch die Lehrkräfte, da die Klassenführung stark mit dem Vorhandensein von Regeln und Ritualen und weniger mit den anderen Facetten verbunden wird. Zu den Schüler-Schüler-Beziehungen ist festzuhalten, dass das Verhalten spezifischer Subgruppen die Lehrkrafturteile mitbestimmt (z. B. das offen gezeigte Bedürfnis nach Selbstdarstellung seitens der Jungen). Diese bilden die Interaktionen globaler ab.

Hintergrund
Die Studie von Heemsoth und Krieger greift vor dem Hintergrund der Diskussion über die valide Beurteilung der Unterrichtsqualität in den einzelnen Schulfächern ein für die Administration und Schule relevantes Forschungsdesiderat auf.

Nachdem die beiden Autoren diskursiv und empirisch die Bedeutung affektiv-motivationaler Variablen, deren Determinanten und Unterrichtsmerkmale aus verschiedenen Perspektiven skizziert haben, stellen sie resümierend fest, dass die damit verbundene Befundlage vor dem Hintergrund sehr divergenter Effektstärken und dem Mangel an perspektivvergleichenden Studien sowie im Hinblick auf die Schüler-Schüler-Beziehungen uneinheitlich ist. Außerdem sei bislang unklar, inwieweit die Sichtweise der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte zu einer spezifischen Aufklärung affektiv-motivationaler Variablen beisteuern. Auf dieser Grundlage leiten sie ihre Fragestellungen ab.

Die Argumentationsweise und Hinführung zur eigenen Studie erscheinen aus Sicht des Rezensenten sehr gelungen. Es fällt jedoch auf, dass in dem Kapitel „Determinanten affektiv-motivationaler Variablen“ Zusammenhänge und keine Kausalitäten berichtet werden. Warum das Unterkapitel mit „Determinanten …“ benannt wird, wirft somit an dieser Stelle Fragen auf. In der Diskussion ihrer Befunde gehen sie darauf ein, indem sie theoretisch und empirisch begründet Kausalität herleiten. Zudem ist trotz aufgeführter theoretischer Bezugslinien keine übergeordnete Rahmentheorie erkennbar.

Design
Das Studiendesign und die Durchführung werden ausführlich und nachvollziehbar benannt. Die Angaben zu den verwendeten Forschungsinstrumenten werden unter Verweis auf die Primärquellen gegeben. Es handelt sich um eine gerade für sportdidaktische Verhältnisse sehr elaborierte methodische Vorgehensweise, die den Standards der empirisch-quantitativen Bildungsforschung in vollem Maße entspricht und zur Beantwortung der Fragestellungen angemessen erscheint. Die durch die qualitative Teilstudie herausstellbare Spezifität der Lehrkräfteurteile wird auch aus Sicht des Rezensenten als ein inhaltlicher Mehrwert angesehen, der jedoch zugleich die Frage aufwirft, warum ein vertiefender Einblick in die Einschätzung der Perspektive der Lernenden nicht erfolgt.

Ergebnisse
Die Zielstellung der Untersuchung wird erreicht. Die Befunde zeigen, dass eine mehrfaktorielle Modellierung der Klassenführung sowie der Lehrer-Schüler- und Schüler-Schüler-Beziehung als Bestandteile des Unterrichtsklimas möglich ist. Die Urteile der Lernenden und Lehrkräfte korrelieren bei durchschnittlich mittlerer Effektstärke.

In diesem Kontext bemerken die beiden Autoren, dass es auch im Hinblick auf die Beurteilung der in vorherigen Studien wenig berücksichtigten Schüler-Schüler-Beziehungen signifikante Korrelationen gibt. Sie erklären diesen Befund gut nachvollziehbar mit der Besonderheit des Faches Sport, in welchem sich die Schülerinnen und Schüler regelmäßig über die gemeinsam erlebten Sozialbeziehungen bei Bewegung, Spiel und Sport austauschen. Die affektiv-motivationalen Variablen lassen sich aus Schülerinnen- und Schülereinschätzungen zur Klassenführung besser vorhersagen. Die Urteile der Lehrkräfte sind aussagekräftiger, wenn die Schüler-Schüler-Beziehungen die affektiv-motivationalen Variablen vorhersagen. Sowohl die Urteile der Lehrkräfte wie auch diejenigen der Lernenden leisten einen spezifischen Beitrag bei der Vorhersage der affektiv-motivationalen Variablen durch die Lehrer-Schüler-Beziehungen. Die qualitative Teilstudie zeigt, dass die Spezifität der Lehrkrafturteile mit einem divergenten Referenzrahmen (Primat der Regelklarheit) und der Sensibilität für spezifische Subgruppen (z. B. Bedürfnis von Jungen nach Selbstdarstellung) zu erklären ist.

Die beiden Autoren stellen abschließend gut nachvollziehbar die Limitationen ihrer Studie vor: Einerseits kritisieren sie, dass die affektiv-motivationalen Variablen auf Selbstauskünften beruhen, so dass die Ergebnisse zum Teil auch auf eine gemeinsame Methodenvarianz zurückgeführt werden können. Deswegen empfehlen sie für zukünftige Untersuchungen die Berücksichtigung externer Beobachter. Weiterhin monieren sie, dass die verwendeten Items aus der Befragung der Lernenden für die Lehrkräfte adaptiert wurde, so dass fraglich sei, ob trotz der faktoriellen Bestätigung Studien mit explizitem Fokus auf die Lehrkräfte ähnlich ausfallen würden. Diese Limitation ist aus Sicht des Rezensenten unter Berücksichtigung der messtheoretischen Vorgehensweise nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sprechen sich die beiden Autoren dafür aus, dass zukünftig moderierende Variablen (z. B. Alter und Geschlecht) vermehrt in den Fokus rücken sollten, da sie sich in anderen Studien als relevant erwiesen haben. Warum dieser Analyseaspekt nicht bereits in diese Studie integriert worden ist, bleibt offen. Aufgrund des Querschnitt-Designs ihrer Studie empfehlen die Autoren zur Aufdeckung von Wirkmechanismen die Durchführung von Längsschnittuntersuchungen, um die vielfach angenommenen Kausalwirkungen von Unterrichtsmerkmalen auf affektiv-motivationale Variablen zu bestätigen.

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Diese Rezension wurde erstellt von:
Dr. Mirko Krüger, PD, Lehrer an der Georg-Müller-Gesamtschule in Wetter (Ruhr) und Lehrbeauftragter an der Fakultät für Bildungswissenschaften, Universität Duisburg-Essen. Arbeitsschwerpunkte: Schul- und Schulsportentwicklung, Sprachbildung im Sportunterricht, Professionalisierung von Lehrkräften

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